Gutachten zum geplanten Nationalpark im Schwarzwald liegt vor
Das Gutachtens der Beratungsfirmen PricewaterhouseCoopers AG (PwC) und ö:konzept GmbH zur Errichtung eines Nationalparks im Schwarzwald liegt vor. Die Landesregierung sieht sich bestätigt. Dert Streit wird aber wohl weiter schwelen.
„Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir als grün-rote Landesregie-rung die Einrichtung eines Nationalparks anstreben und hierzu den Dialog mit allen Akteuren vor Ort suchen. Als Gesellschaft haben wir eine hohe moralische Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung und den Erhalt der Artenvielfalt", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann anlässlich der Vorstellung des Gutachtens zu den Auswirkungen eines möglichen Nationalparks im Schwarzwald am Montag in Stuttgart.
Prämisse sei dabei, dass ein Nationalpark nicht nur einen hohen Mehrwert für den Naturschutz bringe. Ein Nationalpark sei ein Projekt von landes- oder sogar bundesweiter Bedeutung. Er stärke auch die Wirtschaft und den Tourismus in der ihn umgebenden Region. Das nun vorliegende Gutachten bestätige diese Einschätzung.
Diskussions- und Beteiligungsphase
Ein Nationalpark im Schwarzwald bringe nicht nur einen hohen ökologischen Mehrwert, sondern auch neue Chancen und wertvolle strukturelle Impulse für die Region. „Ich werde dem Ministerrat vorschlagen, Minister Bonde mit der Erarbeitung eines konkreten Vorschlags zu beauftragen“, sagte Kretschmann.
„Hinter uns liegt eine zweijährige intensive Diskussions- und Beteiligungsphase, in der jede Bürgerin und jeder Bürger die Möglichkeit hatte, sich mit Fragen, Hoffnungen und Kritik einzubringen. Die Gutachter haben alle vorgebrachten Punkte abgeklopft und kommen zu einem klaren Ergebnis: Ein Nationalpark ist eine Riesenchance für den Nordschwarzwald und für ganz Baden-Württemberg, für Naturschutz, Forst und Tourismus, aber auch für die Regionalentwicklung“, sagte der für Naturschutz und Tourismus zuständige Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Alexander Bonde. Das Gutachten werde der Minister in den kommenden Tagen gemeinsam mit den PwC-Gutachtern in der Region vorstellen. „Wir setzen darauf, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin engagieren und einbringen“, betonte Bonde.
Holzwirtschaft protestiert
Bei der geplanten Fläche für den Nationalpark handle es sich um 0,7 Prozent der gesamten Waldfläche in Baden-Württemberg. Das Ministerium hatte der Sägeindustrie das Angebot gemacht, den mit einem Nationalpark auf lange Sicht einhergehenden Holzverlust für die Wirtschaft über den Landesbetrieb ForstBW zu kompensieren. So sei sichergestellt, dass keine Arbeitsplätze verloren gingen. Allerdings sei die Holz- und Sägeindustrie auch ohne einen Nationalpark einem anhaltenden Strukturwandel ausgesetzt.
Der im Schwarzwald geplante Nationalpark eröffne die Möglichkeit, der Natur auf einer hinreichend großen Fläche von nur zehn mal zehn Kilometern Raum zur freien und ungestörten Entwicklung zu geben. Die Flächen im Suchraum zeichneten sich laut Gutachten durch eine besondere naturschutzfachliche Qualität und eine hohe Dichte an bereits bestehenden Schutzgebieten nach Forst- und Naturschutzrecht aus. Die Experten kämen darüber hinaus zu dem klaren Ergebnis, dass die Vielfalt der Landschaften, der Arten und der Vegetation von einem Nationalpark profitieren würde.
Das Gutachten bescheinige dem Nationalpark damit einen naturschutzfachlichen Mehrwert, der durch kein anderes diskutiertes Großschutzgebiet wie ein Biosphärengebiet oder einen „Naturpark plus“ erreichbar wäre. Prozessschutz auf der einen und Möglichkeiten des Naturerlebens auf der anderen Seite gingen in einem Nationalpark Hand in Hand, so Bonde weiter. Damit könnten die internationalen Richtlinien der IUCN (International Union for Conservation of Nature) eingehalten werden.
Schließlich böte der Nationalpark große Chancen für eine wirtschaftliche Weiterentwicklung der Region insgesamt. Das Gutachten bescheinige dem Nationalpark positive Impulse vor allem für Wachstum und Wertschöpfung in der Region sowie die Stärkung des Tourismus im Nordschwarzwald, so der Minister. Die Autoren der Studie rechneten mit rund 3,05 Millionen Nationalparkbesuchern im Jahr, was etwa 190.000 zusätzlichen Übernachtungsgästen und 255.000 Tagesgästen entspräche, die aufgrund des Nationalparks in die Region reisten. Daraus würden zusätzliche Umsätze in Höhe von 18,3 Millionen Euro generiert.
Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW), begrüßt daher das nun vorliegende Gutachten ausdrücklich: "Die Einrichtung eines Nationalparks käme für den Tourismus im Nordschwarzwald einer Frischzellenkur gleich. Diese Chance darf nicht ungenutzt bleiben." Er hoffe deshalb, dass das notwendige Verfahren nun zügig umgesetzt werde. Gleichzeitig sei es wünschenswert, dass mit der Einrichtung eines Nationalparks Investitionen in die touristische Infrastruktur einhergingen: "Der Nationalpark wird besonders dann Wachstumsimpulse für den Tourismus in der Region setzen, wenn den Besuchern beispielsweise in modernen Informations- und Naturerlebniszentren, mit Baumwipfelpfaden oder auch einem Wildtierpark, ein zusätzlicher Mehrwert geboten wird."
Borkenkäfermanagement
Minister Bonde betonte, dass die örtliche Sägeindustrie von einem Nationalpark keine negativen wirtschaftlichen Folgen und keinen Arbeitsplatzverlust zu erwarten hätte. Mit Blick auf die mögliche Ausbreitung von Borkenkäfern in einem Nationalpark sagte Minister Bonde: „Wir haben von Anfang an vorgeschlagen, eine mindestens 500 Meter breite Pufferzone einzurichten. Aktives Borkenkäfermanagement sowie weitere vom Gutachten skizzierte Strategien werden uns helfen, einen wirksamen Schutz der angrenzenden privaten und kommunalen Wirtschaftswälder zu gewährleisten.“
Laut Gutachten seien positive Impulse unter anderem für den Tourismus und insbesondere für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu erwarten. „Der Nordschwarzwald ist für das am stärksten wachsende touristische Nachfragesegment ,Natur‘ geradezu prädestiniert. Selbst in seinen pessimistischen und zurückhaltenderen Szenarien rechnet das Gutachten deshalb mit einem deutlichen Zugewinn an Wertschöpfung, einer Zunahme an Übernachtungs- und Tagesgästen sowie mit einem deutlichen Mehr an Arbeitsplätzen.“