Das Ahrtal soll ein Flutmuseum erhalten: Machbarkeitsstudie abgeschlossen
Zwei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal steht neben dem Hauptthema Wiederaufbau auch die Frage im Raum, wie ein zentraler Erinnerungsort als Museum oder Dokumentationsstätte einmal aussehen könnte. Im Rahmen des „Nachhaltigen Tourismuskonzeptes Ahrtal 2025“ hat daher auch ein mögliches Flutmuseum als Leitprojekt Eingang in die Konzeptentwicklung gefunden.
Eine vom Ahrtal-Tourismus in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zum Projekt mit dem Arbeitstitel „Ausstellungs-/Besucherzentrum Flut und Gedenkstätte“ konnte im Juni vorgestellt werden.
Nach einer Ausschreibung ist es dem Ahrtal-Tourismus gelungen, das renommierte Atelier Brückner als Auftragnehmer für die Machbarkeitsstudie zu gewinnen. Das Atelier Brückner mit Firmensitzen in Stuttgart und Seoul konzipiert und gestaltet narrative Architekturen für Marken, Ausstellungen und Museen. Oberstes Ziel der Studie sei es, eine nationale Gedenkstätte und ein Museum zu konzipieren, die alle betroffenen Orte und Initiativen bündelt und eine für alle Beteiligten, insbesondere für die Einwohnerinnen und Einwohner des Ahrtals, sensible Konservierung der Ereignisse des Sommers 2021 vornimmt. Damit verbunden sind auch eine Standortauswahl, erste thematische und szenarische Entwürfe sowie eine Kostenschätzung.
David Bongart, Projektleiter Tourismuskonzept beim Ahrtal-Tourismus erläutert: „Uns ist natürlich bewusst, dass noch nicht alle unsere Vision und Planung nachvollziehen können. Wer tagtäglich noch über unbefestigte Straßen fahren muss, den Lückenschluss des Radwegs zwischen Altenahr und Walporzheim herbeisehnt oder noch nicht wieder seinen Betrieb eröffnen oder in sein Wohnhaus zurückziehen konnte, der kann die Überlegungen zu einem solchen Projekt eventuell nicht nachvollziehen. Wichtig ist uns, dass wir uns bereits heute damit beschäftigen, da wir eine Projektdauer ab Startschuss von mindestens vier bis fünf Jahre einkalkulieren müssen. Des Weiteren müssen wir bereits heute anfangen, die potentiellen Exponate zu kuratieren, da einige bereits unwiderruflich entsorgt worden sind.“
Im Rahmen von Workshops hat das Atelier Brückner nun eine erste Planung für ein Flutmuseum erarbeitet. Bewusst habe die Machbarkeitsstudie acht mögliche Standorte entlang des Ahrlaufes unter die Lupe genommen, beispielsweise in Antweiler, Schuld und Altenahr. Aus Sicht der Planer ergaben sich hierbei zwei Favoriten: Die Alte Schule in Rech und die Pius-Kirche in Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Mit der Machbarkeitsstudie haben wir schon einen ersten Meilenstein erreicht, denn wir haben nun eine Basis für alle weiteren Schritte und Gedanken.“ Er erklärt weiter, dass alle Standorte nur aus Sicht der Machbarkeitsstudie bewertet worden seien. Die Genehmigungen und Möglichkeiten könnten jedoch erst nach der erfolgreichen Akquise von monetären Mitteln erfolgen. „Somit könnte sich theoretisch auch noch ein ganz anderer Standort in der finalen Planung ergeben“, so Bongart.
Für den Standort Pius-Kirche hat das Atelier Brückner exemplarisch eine erste Visualisierung und Storyline ausgearbeitet, bei der Projektleiterin Milic-Grunwald laut Bongart sehr viel Fingerspitzengefühl bewiesen habe. Neben dem Gedenken an die Opfer und der Dokumentation der schrecklichen Katastrophe sollen auch die einmalige Solidaritätsleistung und der Wiederaufbau ihren Platz in der Ausstellung finden. „Sollte sich jemand auf Landes- und/oder Bundesebene finden, der diese Option unterstützt, könnten wir in konkrete Gespräche einsteigen und eine Eröffnung des Flutmuseums noch in diesem Jahrzehnt anpeilen“, sagt Bongart. Als möglicher Bestandteil des Flutmuseums wurde beispielsweise das MOMAHR mit in die Planungen integriert, der Cube mit Exponaten aus der Flut, welche Initiatoren der Flutwein-Kampagne erstellt haben.
Parallel zu der Machbarkeitsstudie durch den Ahrtal-Tourismus für die Gedenkstätte hat die Kreisverwaltung Ahrweiler für das eher wissenschaftlich orientierte Projekt „ICCA – International Crisis Center Ahr“ ebenfalls eine Machbarkeitsstudie beauftragt. Das ICCA soll mit Laboren, Vortrags- und Tagungsräumen der Forschung und Lehre Raum bieten und professionelles, zukunftsweisendes Sprachrohr und Plattform der Krisenwissenschaft und Katastrophendienste sein. Daneben soll es mit (Wechsel-) Ausstellungen als multimediales und interaktives Besucherzentrum zum Thema Krise dienen und sich mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen.
Bongart erklärt: „Es wird aber keinen Wettbewerb zwischen den beiden Konzepten geben. Wir stehen hier im engen Austausch mit der Kreisverwaltung. Denn der nun ausgearbeitete museale Part könnte später auch ein Baustein des ICCA sein. Ob man am Ende die Themen an zwei Standorten spielt oder die Inhalte in einem Projekt bündelt, wird sich in den weiteren Schritten zeigen. Aktuell wären beide Varianten denkbar.“
Derzeit ist der Ahrtal-Tourismus dabei, alle Kernaussagen der umfangreichen Machbarkeitsstudie aufzubereiten und zusammenzufassen, um dann potentielle Förderer und Sponsoren anzusprechen. Bongart: „Für alle Leitprojekte aus dem nachhaltigen Tourismuskonzept gilt, dass wir keine Papiere für die Schublade entwickeln wollten, sondern uns bewusst auf umsetzbare und gewinnbringende Inhalte für die Region des Ahrtals fokussiert haben. Jetzt fängt die eigentliche Arbeit jedoch erst an, indem wir Finanzierungsmöglichkeiten suchen.“ Je nach Größe und Ausführung würde das Flutmuseum laut den ersten Schätzungen der Gutachter bei Kosten zwischen 10 und 20 Millionen Euro liegen.
Bilder: Ahrtal Tourismus / Atelier Brückner