Commerzbank-Studie: Unsicherheitsschock bleibt aus

am . Veröffentlicht in Statistik & Benchmarks

Solange die Einkommen stabil bleiben, lassen sich die Deutschen das Reisen nicht nehmen – das will die aktuelle Reisestudie der Commerzbank belegen, die am Dienstag auf der CMT in Stuttgart vorgestellt wurde.

2012 gaben deutsche Touristen im Ausland mehr Geld aus als je zuvor. Einziger Wermutstropfen scheint da, dass der Titel des Reiseweltmeisters erstmals an China ging. Der weltweite Tourismus indes verlor im vergangenen Jahr ein wenig an Fahrt. Grund sei das langsamere Wachstum der Bruttoinlandsprodukte.

„2012 hat sich die Weltwirtschaft nicht mehr ganz so rosig dargestellt“, sagte die Volkswirtin Jutta Kayser-Tilosen, Autorin der Studie. Gerade im Euroraum seien „viele Haushalte aufgrund hausgemachter Probleme mit Sparen beschäftigt“, und selbst in Kernländern wie Deutschland sei ein deutlich schwächeres Wachstum zu verzeichnen. Nach 5 Prozent im Vorjahr stieg die Zahl der Auslandstouristen weltweit daher nur noch um 3,5 Prozent. Gleichwohl aber lag die Zahl der Auslandsreisen erstmals bei über einer Milliarde. Fast alle Regionen der Welt verzeichneten Touristenzuwächse– auch Deutschland mit gut 7 Prozent.

Noch sitze der Euro locker. Solange der Pegel beim eigenen Einkommen stimme, werde gereist. Ihren Auslandsurlaub ließen sich die Deutschen – bei einem Plus von 3 Prozent – insgesamt 55,7 Milliarden Euro kosten, das Volumen bei Geschäftsreisen sei um 7 Prozent auf 8,1 Milliarden gestiegen. In der Summe ergebe sich eine voraussichtlich 3,5-prozentig Steigerung der Auslandsreiseausgaben im Vergleich zum Vorjahr, der dritte Anstieg in Folge.

Das ändere nichts daran, dass man – gemessen an den internationalen Reiseausgaben in Milliarden US-Dollar – den Titel des Reiseweltmeisters an China abtreten musste. „Angesichts der guten Wirtschaftsdaten dürfte sich China den Titel auf Jahre gesichert haben“, erklärte Kayser-Tilosen. „Die Menschen haben einen Nachholbedarf. Wenn man von einem niedrigen Niveau aus startet, führt das zu enormen Steigerungen.“ Deutschland belege hinter den USA mittlerweile den dritten Platz in der Weltrangliste.

Ungeachtet solcher Schwankungen blieben die Deutschen ihren Lieblingsreisezielen treu: Spanien, Österreich und Italien rangierten weiterhin ganz oben in der Urlaubergunst. Einen Satz nach vorn könne die Türkei machen, die „als Alternative zu den Unruheherden in Nordafrika und dem krisengeschüttelten Griechenland“ nunmehr vor Frankreich Platz vier belege. Als einziges Top-Reiseziel der Deutschen musste nur die Schweiz höhere Einbußen hinnehmen: Bedingt durch den ungünstigen Wechselkurs gaben die Deutschen dort 2012 rund 10 Prozent weniger aus, was wiederum der benachbarten Alpenrepublik Österreich zu Gute kam. Langfristig sei ein Trend weg von Pauschalklassikern wie Spanien und Italien festzustellen. Zunehmender Beliebtheit mit wachsenden Marktanteilen hingegen erfreuen sich die Niederlande oder Tschechien.

Für einen Kaufkraftvergleich im Ausland würden tourismusrelevante Waren und Dienstleistungen wie Unterkunft, Transport und Essen herangezogen. Fast doppelt so viel für seinen Euro bekam man 2012 in Bulgarien, teuerste Reiseländer waren Australien, die Schweiz und Dänemark. Nicht mehr ganz so günstig für Besucher aus der Eurozone seien die USA.

Umfragen zufolge war und ist das beliebteste Reiseziel der Deutschen aber das eigene Land. Ein starkes Drittel aller längeren Reisen gehe ins Inland, mit einem klaren Abstand zum beliebtesten Auslandsziel Spanien (rund 10 Prozent). Vor allem Mecklenburg-Vorpommern baute nach der Wende seine touristische Infrastruktur aus und erlebte einen beispiellosen Boom. Die hohe Qualität der Deutschlandreisen werde von einer Studie des Weltwirtschaftsforums in Davos bestätigt, die Deutschland unter anderem in punkto Übernachtungsmöglichkeiten, kulturellem Angebot und Hygiene weltweit den zweiten Platz in Sachen Wettbewerbsfähigkeit bescheinige.

Auch international könne Deutschland als Reiseziel weiter punkten: Laut einer Schätzung der Welttourismusorganisation liege Deutschland an sechster Stelle, vor der Türkei und Großbritannien. Im vergangenen Jahr begrüßte man 7,7 Prozent mehr Besucher also noch 2011. Mit fast 30 Milliarden Euro Einnahmen durch ausländische Touristen ergebe dies ein klares Plus von 5,5 Prozent. Die Zuwachsraten seien zwar nicht mehr ganz so stark wie 2011, aber trotzdem deutlich, sagte Kayser-Tilosen.

Was die Aussichten für 2013 angelange, zeigt sich die Expertin optimistisch: „Der globale Unsicherheitsschock bleibt aus. Wir stehen vor einem weiteren Jahr mit deutlich steigenden Reiseausgaben und –Einnahmen.“ Als wichtigste Faktoren für diese Entwicklung nannte Kayser-Tilosen das weitere und nachhaltige Wachstum der chinesischen Wirtschaft, die Erholung der US-Wirtschaft und schließlich das „fürs Erste gebannte“ Risiko eines Zerfalls der europäischen Währungsunion.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Wirtschaft im Euroraum vom Frühjahr an festigen wird und die Bürger mehr Sicherheit empfinden werden. Bei den Reiseeinnahmen aus dem Ausland erwarten wir eine Steigerung von 6 Prozent. Die Eingriffe der EZB nehmen auch der erfolgsverwöhnten deutschen Wirtschaft einen Bremsklotz von den Rädern. Die Einkommen werden noch einmal deutlich expandieren, die Verbraucher werden den Konsum erhöhen und wieder mehr für Reisen ausgeben. Wir rechnen hier mit 4 Prozent Zuwachs bei den Auslandsreisen und insgesamt über 66 Milliarden Reiseausgaben. Allerdings werden die Deutschen preisbewusst reisen, Frühbucherrabatte und Last-Minute-Angebote nutzen.“ Auch der Trend zu mehreren kürzeren Reisen werde voraussichtlich anhalten, erlaubten diese doch einen „dosierten Umgang mit der Urlaubskasse“.

www.commerzbank.de

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