DRV-Präsident Jürgen Büchy: Rundumschlag gegen "politischen Hexentanz"

am . Veröffentlicht in Politik & Recht

Zur Zeit gilt: Keine Verbandsversammlung ohne wohlfeile Politikerschelte mehr. Da will auch DRV-Präsident Jürgen Büchy nicht nachstehen und drischt ordentlich auf alles ein.

Die Reisebranche kann erneut auf gestiegene Umsätzen und eine weiter wachsender Anzahl der Reisenden im gerade beendeten Touristikgeschäftsjahr 2011/ 12 (Stand 31. Oktober 2012) verweisen. „Auf hohem Niveau geht es immer noch ein wenig aufwärts. Allerdings ist dies kein Selbstläufer“, meint der Präsident des Deutschen ReiseVerbandes (DRV), Jürgen Büchy, zum Auftakt der Jahrestagung des Branchenverbandes in Budva (Montenegro) vom 15. bis 17. November 2012.

Die Tourismuswirtschaft könne jedoch nur weiter erfolgreich sein, wenn die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schaffe. „Aber im Augenblick bremst uns die Politik sehr stark aus – und das kann auch die Reiselust der Deutschen bald bremsen. Die Grenzen unserer Belastbarkeit sind erreicht – die Tourismusbranche kann keine zusätzlichen Belastungen mehr schultern und es darf auch keine weiteren Hürden geben, die das Reisen behindern“, wettert der Reiseverbands-Präsident gegen politische Vorgaben, Steuern und Visa-Beschränkungen.

Hinzu komme eine Verzerrung des Wettbewerbs: „Durch nationale und europäische Alleingänge werden gerade unsere deutschen Unternehmen im internationalen Wettbewerb geschwächt, deutsche Arbeitsplätze gefährdet, einige der Grundlagen deutscher Exporterfolge infrage gestellt. Das ist das Gegenteil von Wirtschaftspolitik, das ist Wirtschaftsvernichtungspolitik nach dem Motto: Sägen wir doch mal an dem dicken Ast, auf dem wir sitzen!“, so Büchy in seiner Grundsatzrede am Donnerstag, den 15. November 2012.

Als besonders ärgerliches Beispiel nannte er die Luftverkehrsteuer, die den heimischen Airlines Schaden zufüge. Ebenso das Emission-Trading-System (ETS), das international nicht durchsetzbar sei und die europäische Industrie belaste. Oder die zunehmenden Nachtflugverbote, die wiederum besonders die deutschen Airlines träfen, die Produktivität verschlechterten und - laut Büchy - einseitig Mehrkosten für Tourismus und Exportindustrie erzeugten. Kritiker halten dem entgegen, dass auch Lärm - speziell Nachtlärm - einen enormen wirtschaftlichen Schaden verursacht, der gerne aus derartigen Betrachtungen  herausgerechnet wird.

„Ein Wahnsinn ohne jede politische Linie und Struktur“, glaubt Büchy dennoch zu erkennen. Politik neige leider dazu, in Vierjahreszeiträumen oder in Wahlperioden zu denken und zu handeln, wettert er weiter: „Unserer Ordnungspolitik ist die Fähigkeit abhanden gekommen, zwischen Industrie- und Verbraucherinteressen ausgewogene Kompromisse zu finden, unser Wirtschaftspolitik fehlt der Mut – oder die Kraft –, sich gegen eindeutig wirtschaftsschädliche Entwicklungen in der Gesellschaft zu stemmen und Flagge zu zeigen. Wir fordern von unseren Wirtschafts- und Verkehrspolitikern aktive Unterstützung für die Reisebranche statt resignativem Zusehen beim fiskal- und verbraucherpolitischen Hexentanz.“

Doch nicht nur Steuern und Abgaben beschränkten weiteres Wachstum in der Reisebranche. Eine wesentliche Behinderung im grenzüberschreitenden Reiseverkehr seien die Visa-Regelungen. Noch immer würden durch Visa-Hürden wichtige Wirtschaftsbeziehungen innerhalb Europas behindert. So leide beispielsweise der wachsende Markt des Gesundheitstourismus unter einer restriktiven Visa-Vergabe. Erleichterungen bei der Einreise in einigen Ländern könnten den Tourismus noch viel stärker antreiben. So sei die Zahl russischer Touristen in der Türkei nach Wegfall der Visa-Restriktionen in kürzester Zeit auf mehr als das Doppelte gestiegen, behauptet Büchy.

„Hier muss auch die Bundesregierung ihr politisches Gewicht weltweit einbringen, damit diese Hürden endlich abgebaut werden. Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle hat schon auf dem Tourismusgipfel des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) 2011 entsprechende Maßnahmen versprochen, wir wollen jetzt endlich Taten sehen. Davon profitiert das deutsche Gastgewerbe, der deutsche Außenhandel und auch der Auslandstourismus, weil Russland und andere bei den Visaregeln Gleiches mit Gleichem vergelten.“ Diese Forderungen stelle der DRV nicht alleine, sondern unterstützt eine entsprechende Initiative gemeinsam mit den führenden deutschen Wirtschaftsverbänden.

Büchy sieht aber "noch weitere Knüppel", die der Branche aus Deutschland zwischen die Beine geworfen würden – etwa gerichtliche Entscheidungen oder gesetzliche Vorgaben. Zum Beispiel beim Thema Flugzeitenänderungen. „Wenn unsere Veranstalter dazu verpflichtet werden, die Flugzeiten verbindlich in ihren Katalogen anzugeben, werden sie gar keine Zeiten mehr angeben“, so Büchy.

Reisekataloge würden bereits mehr als ein Jahr im Voraus geplant und veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt gebe es in der Regel noch keine endgültigen Flugzeiten. Diese langfristige Planung und der volumenmäßig große Einkauf von Flugkontingenten machten den Preis des Fluges im Rahmen einer Pauschalreise in der Regel günstiger, so dass der Kunde von attraktiven Reisepreisen profitiere. In den allermeisten Fällen änderten sich diese Abflugzeiten im Laufe des Jahres nur geringfügig. Aber es gebe Fälle, in denen es deutliche Änderungen gebe und diese ärgerten nicht nur die betroffenen Gäste, sondern auch die Reisebüros. Es sei jedoch niemandem damit gedient, das es vorab gar keine Flugzeiten mehr gebe. "Wenn es, wie ich schätze, bei weit mehr als 80 Prozent der Fälle keine gravierenden Änderungen gibt, kennt die weitaus überwiegende Mehrheit unserer Kunden weiterhin langfristig ihre Flugzeiten und wir leben mit den wenigen Ausnahmen“, sagte Büchy in seiner Grundsatzrede: „Somit ist ganz klar für unserer Branche: Damit Flüge zu einem bezahlbaren Preis angeboten werden können, müssen auch unerwartete Nachfrageschwankungen durch Flugplan-Optimierungen aufgefangen werden können. Das erzwungene Festhalten an starren Flugplänen ohne Nachfragebezug wäre auch ökologisch grober Unfug!“

Ob es Büchy gelingt, mit diesem Rundumschlag den nötigen Druck auf die Politik auszuüben, werden die nächsten Maßnahmen seitens der Regierung und Politik zeigen. Kritiker werfen der Reisebranche - angesichts dieser Rede vielleicht zu Recht - vor, zu stark auf quantitatives Wachstum und damit eine gestrige Strategie zu setzen. Ob dies tatsächlich mit der vom DRV ja in diesem Jahr in den Mittelpunkt gestellten Idee der Nachhaltigkeit vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Nachhaltigkeit und Verbraucherfreundlichkeit sind eben nicht immer quantitativ wachtstumsfördernd, können aber qualitativ erhebliche Fortschritte bedeuten. Das könnte der Tourismus von morgen sein.

www.drv.de

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