Mit Verspätung: Die Renaissance der Bahn?
Marode Infrastruktur, kaputtgespart, miserabler Service, Verspätungen, Streiks, Kunden, die in Scharen zu den neuen Fernbussen überlaufen: Das ist das aktuelle Sittengemälde der Bahn. Jetzt soll alles besser werden - sagt die Bahn.
Demnach startet die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben die größte Kundenoffensive in ihrer Geschichte und will Metropolen und Regionen künftig öfter, schneller, direkter und komfortabler miteinander verbinden. Zurück in die Zukunft? Jahrelang wurden zahlreiche Großstädte vom Fernverkehrsnetz abgekoppelt, jetzt werden sie wieder angeschlossen.
Die wichtigsten Veränderungen im Überblick:
- Die DB will bis 2030 das Fernverkehrsangebot um 25 Prozent ausbauen. Fünf Millionen Einwohner sollen neu ans Fernverkehrsnetz ageschlossen werden. 50 Millionen zusätzliche Reisende pro Jahr sollen gewonnen werden. Dazu seien Investitionen von 12 Milliarden Euro nötig. Dadurch werde eine Einsparung von 1,7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr erzielt, was einem jährlichen Ausstoß von 600.000 Autos entspreche.
- Neues ICE-Netz: Bis 2030 soll es über 150 Fahrten pro Tag mehr geben als heute, z.B. bis zu zwei ICE-Verbindungen pro Stunde zwischen Metropolen. Zudem soll es ab 2016 erhebliche Reisezeitverkürzungen durch Inbetriebnahme neuer Strecken geben. Die Flotte soll auf 360 ICE-Züge ausgebaut werden - mit kostenlosem WLAN und Bord-Infotainment in der 1. und 2. Klasse.
- Neues IC-Netz: Bis 2030 Anbindung sollen nahezu alle deutschen Großstädten im Zwei-Stunden-Takt angebunden werden. Demnach gebe es 190 neue Direktverbindungen aus der Fläche in die 50 größten Städte. Zum Einsatz kämen 120 neue Doppelstock-Züge mit moderner Bordtechnik für Telefon- und Internetnutzung. Zudem gebe es günstigere Sparpreise ab 19 Euro.
- Faire Preise: Die BahnCards 25, 50 und 100 bleiben unverändert. Künftig soll es sie auch mit drei Monaten Laufzeit geben. Ab 2016 seien Sparpreise für ICE und IC bis kurz vor Abfahrt buchbar. Zudem gebe es kostenlose Sitzplatzreservierungen künftig bei allen Fernverkehrstickets.
Insgesamt will die DB 12 Milliarden Euro investieren, vor allem in neue Zugflotten. Im Rahmen der Angebotsoffensive schaffe die Bahn 1.500 neue Arbeitsplätze. „Mit dem größten und modernsten Fernverkehrsnetz seit der Bahnreform wollen wir unseren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Deutschlands leisten“, sagt Ulrich Homburg, Vorstand Personenverkehr der Deutschen Bahn. „Dazu bieten wir mehr grüne Mobilität als je zuvor: Mit zwei ICE-Zügen pro Stunde auf den Hauptachsen schaffen wir quasi eine superschnelle und hoch komfortable S-Bahn zwischen den deutschen Metropolen. Ein Quantensprung ist auch das neue IC-Netz für die Kunden in der Region: Mit wenigen Ausnahmen sind künftig alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern zweistündlich ans Fernverkehrsnetz angeschlossen. Fünf Millionen Menschen mehr als bislang können dann einen Intercity direkt vor der Haustür besteigen.“
Man kann es auch anders formulieren: Die Bahn verkauft das als neue Strategie - es ist aber zunächst mal ein Eingestehen des Scheiterns. Statt eines Weltkonzerns entstand ein kundenferner Verkehrsdinosaurier, der seinem Dahinsiechen bislang kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Es bedurfte erst eines Impulses von außen, bis der Monopolist sich bewegte. Ausgerechnet die Busbranche, ein bislang eher als verschnarcht geltendes Segment, mischt die noch verschnarchtere Bahn auf.
Der Zeithorizont der angekündigten Maßnahmen macht aber auch deutlich, wie katastrophal sich die Situation entwickelt hat, wie schwer es ist, so eine alte Dampfmaschine wieder flott zu machen. Ohne die Unterstützung durch die Politik wird das nicht funktionieren. Und wer wüsste nicht von den alltäglichen Servicekatastrophen in der Bahn zu berichten, kaputte Toiletten, verschlossene Bistros, unbeholfene Servicekräfte. Ohne eine andere Einstellung gegegenüber den Kunden wird das ebenfalls nicht funktionieren.
Die Touristiker in den Destinationen werden mit Wohlwollen registrieren, dass sich die Verbindungen verbessern sollen. Und auch neue touristische Anbindungen sind vorgesehen. Doch noch handelt es sich nicht um mehr als hehre Pläne. Und wer die letzten Jahrzehnte der Bahnentwicklung verfolgt hat, wird schnell feststellen, dass es derartig funkelnde Zaubersprüche schon oft gegeben hat. Das Ergebnis ist bekannt. Ein Anfang wäre schon, wenn ein miserabel geführtes Unternehmen sich vom Kopf her erneuern würde. Wir dürfen gespannt sein. Und setzen derweil auch auf die wachsende Fernbusbranche.