Tourismusklima Sommer 2021: Schlechte Noten für den Tourismusbeauftragten der Bundesregierung

Geschrieben von Matthias Burzinski am . Veröffentlicht in Lernkurve (Zukunftsblog)

Thomas Bareiß

 

Die Corona-Krise war für die Tourismusbranche eine Belastungsprobe historischen Ausmaßes. Angebots- und Nachfrageschock, Ungewissheiten und Planungsunsicherheit, das Gefühl ausgeliefert zu sein, kaum wertgeschätzt zu werden. Gleichzeitig aber hat Corona Kräfte, Ideen und Entschlossenheiten freigesetzt, die so mancher der Branche gar nicht zugetraut hätte. Nach Jahren des Wachstumes, hier und da auch des Glaubens, dass es immer so weitergehen würde, hatte sich durchaus eine gewisse Trägheit breit gemacht, die jetzt - in der Krise - einer neuen Agilität und Improvisationsfähigkeit gewichen ist.

So oder so: Die Krise hat Spuren hinterlassen, Wunden gerissen, Wunder ermöglicht. Für uns ist es Grund genug, ab jetzt das Klima, die Situation innerhalb der Branche regelmäßig zu beleuchten: Eure Stimmungen, Eure Einschätzungen der Geschäftslage, Eure – und das ist neu – Zufriedenheit mit den maßgeblichen Akteuren im Destinations- und Tourismusmanagement.

203 Akteure*innen der Branche haben an unserer ersten Tourismusklimabefragung mitgemacht. Darunter 54% aus dem Destinationsmanagement, 17% aus der Tourismusberatung/Agenturen und 29% aus sonstigen Segmenten wie Gastgewerbe, Reisebüros, Veranstaltern etc. Letztere Gruppe ist dadurch sehr heterogen, ließ sich aber aufgrund der teils geringen Fallzahlen nicht weiter differenzieren. Dies ist natürlich beeinflusst durch unsere eigene Nutzerstruktur bei destinet.de, die v.a. durch das Destinationsmanagement geprägt ist.

Zwar stehen die Daten daher nicht repräsentativ für die gesamte Branche, zeichnen jedoch vor allem ein Bild der Befindlichkeiten innerhalb des Destinationsmanagements und auch der Tourismusberatung.

Bekanntheit teilweise steigerungsfähig

Um sicherzustellen, dass die Zufriedenheit mit den maßgeblichen Akteuren auch auf entsprechender Kenntnis beruht, haben wir selbstverständlich zunächst die Bekanntheit dieser Akteure*innen abgefragt. Die Probanden durften nur diejenigen Organisationen bewerten, die sie auch kannten. Auch die Bekanntheit gibt bereits einen ersten Hinweis darauf, welche Reichweite und Bedeutung die Institutionen in der Branche genießen bzw. erreichen.

Hier liegt der Deutsche Tourismusverband (DTV) klar vorne: 90,6% kennen ihn. Auch der DEHOGA kommt auf eine Bekanntheit von über 90%. Es folgen ebenfalls mit guten Werten die IHK mit 89,7% und die DZT mit 88,7%. Damit sind die zentralen, meist auch überregional aktiven Akteure*innen bereits benannt.

Es folgen die regional definierten Organisationen, also die lokale Tourismusorganisation mit einer Bekanntheit von 87,2, die regionale mit einer von 86,7% und – mit etwas Abstand – die Landestourismusorganisationen mit 83,3%. Klare Erkenntnis: "Nähe" sorgt hier für eine höhere Bekanntheit.

Auch das Auswärtige Amt mit der Zuständigkeit für Reisehinweise, der DRV und der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung (zurzeit Thomas Bareiß) kommen noch auf hohe Bekanntheitswerte von über 75%.

 (Klick auf die Grafiken zum Vergrößern)

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Die übrigen Akteure*innen fallen jedoch deutlich ab und müssen sich eine Bekanntheit erst noch erarbeiten oder sind eher auf Nischensegmente des Tourismus ausgerichtet und möglicherweise deshalb weniger bekannt. Das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes kennen nur 54,2%. Das spezialisierte German Convention Bureau, der Bundesverband der deutschen Tourismuswirtschaft (BTW), der Verband Internet Reisevertrieb (VIR) und der Deutsche Ferienhausverband erreichen nur Bekanntheitswerte unter 50%.

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Hier gibt es jedoch große Unterschiede innerhalb der Segmente. So genießt der VIR unter Tourismusberatern*innen und in Agenturen eine deutlich höhere Bekanntheit als z.B. im Destinationsmanagement. Dies gilt auch für das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes.

 

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung fällt durch: Große Unzufriedenheit

Bei der Frage nach der Zufriedenheit mit der Arbeit dieser maßgeblichen Tourismusakteure und -organisationen gibt es, auch gemessen an dessen Bekanntheit, einen großen Verlierer: Und der heißt Thomas Bareiß, seines Zeichens Beauftragter der Bundesregierung für Tourismus. Der mit viel Vorschusslorbeeren bedachte, erste Tourismusbeauftragte im Range eines Staatsekretärs, hat in der Krise offensichtlich viel Vertrauen verspielt. Er erreicht mit 2,1 unter allen Akteuren*innen mit Abstand den schlechtesten Wert auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht zufrieden) bis 5 (sehr zufrieden).

Am anderen Ende sind es vor allem die lokalen, regionalen und auch landesweiten Tourismusorganisationen, mit denen die Befragten (sehr) zufrieden sind. Sie erreichen die höchsten Werte. Nur das Auswärtige Amt (Reisehinweise) kann sich hier einreihen.

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Große Zufriedenheit auch mit dem DTV

Unter den bundesweit agierenden Verbänden kann besonders der Deutsche Tourismusverband punkten, eine der maßgeblichen Stimmen des Tourismus während der Krise. Mit einer durchschnittlichen Bewertung von 3,5 führt er das Feld der nationalen Verbände an – und liegt hier praktisch gleichauf mit der Deutschen Zentrale für Tourismus.

Werte von über 3 erreichen zudem noch der Verband Internet Reisevertrieb, der Deutsche Ferienhausverband, das German Convention Bureau, der DEHOGA, die IHK und auch der DRV.

Das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes kommt auf einen Zufriedenheitswert von 2,9. Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft erreicht nur 2,7 vor dem abgeschlagenen Schlusslicht Thomas Bareiß.

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Schlechte Stimmung

Trotz erster Hoffnungsschimmer während des Erhebungszeitraums im Juli bleibt die Stimmung in der Branche gedämpft. Die Hälfte der Befragten beurteilt die Stimmung als schlecht oder sehr schlecht. Nur 17% halten sie für gut. Besonders schlecht ist die Stimmung unter den Sonstigen, wohingegen es im Destinationsmanagement und in der Tourismusberatung etwas besser aussieht.

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Einschätzung der Geschäftslage: Ausbaufähig

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Blick auf die Geschäftslage. Auch hier schätzen mehr als die Hälfte der Befragten (56%) die Lage als schlecht oder sehr schlecht ein. Und auch hier ist die Einschätzung im Destinationsmanagement und unter den Beratern*innen etwas besser.

Beim vorausschauenden Blick auf die Geschäftsentwicklung in den nächsten 6 Monaten ist kaum eine Aussicht auf Besserung spürbar. Nur gut 46% gehen von einer Besserung der Lage aus.

Etwas besser gestaltet sich der Ausblick auf die Wintersaison, für die etwas mehr als die Hälfte eine Besserung erwarten. Und nur 13,3% gehen hier von einer Verschlechterung aus.

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Zweifel an der Wertschätzung für den Tourismus

Wir haben die auch danach gefragt, wie aus der Innensicht des Tourismus dessen Wertschätzung in der Gesellschaft beurteilt wird. Hier sind viele sehr ernüchtert: 46% glauben, dass der Tourismus in der Gesellschaft eine sehr geringe oder geringe Wertschätzung genießt. Und nur 15% glauben an eine hohe oder sehr hohe Wertschätzung.

Auffällig auch: Auf Ebene der Geschäftsführung ist diese gefühlt geringe Wertschätzung besonders weit verbreitet. Hier sind sogar 61% der Befragten Geschäftsführer*innen der Meinung, dass der Tourismus eine geringe oder sehr geringe Wertschätzung genießt. Das zeugt nicht gerade von Selbstbewusstsein. Oder positiv formuliert: Hier liegt eine große Herausforderung vor der Branche.

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Bedenklich: Fast 30% sind unzufrieden oder sehr unzufrieden mit der Arbeitssituation

Was mit Blick auf die Fachkräfteproblematik noch nachdenklicher stimmt, ist die Tatsache, dass fast 30% der Befragten mit ihrer persönlichen Arbeitssituation unzufrieden (22,7%) oder sogar sehr unzufrieden sind (6,9%). Das ist ein Wert, der für die künftige Entwicklung nichts Gutes ahnen lässt. Hier ist daher ein differenzierter Blick interessant.

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So ist zunächst festzuhalten, dass die Unzufriedenheit unter den weiblichen Befragten noch einmal deutlich höher ausfällt. Hier sind sogar 10% überhaupt nicht und 25,5% unzufrieden. Und auch nach Alter differenziert zeigt sich ein bedenkliches Bild, denn besonders unter den Jüngeren ist die Unzufriedenheit groß. 38% sind hier unzufrieden oder sehr unzufrieden. Bedenkt man, dass hier die Wechselbereitschaft noch höher sein dürfte, wirft dies kein gutes Bild auf die Arbeitssituation in der Branche.

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Größere Unzufriedenheit herrscht auch unter „einfachen“ Angestellten und Freiberuflern*innen/Sonstigen, wohingegen auf Ebene der Geschäftsführung und der Leitenden Angestellten der Anteil die 25% nicht übersteigt.

Deutlich unzufriedener sind auch die Befragten, die in der Beratung/in Agenturen arbeiten sowie die Sonstigen (also die eher heterogene Gruppe).

 

Gleichstellung ausbaufähig

Blicken wir final noch auf einen weiteren kritischen Aspekt in der Branche – die Gleichstellung. An unserer Befragung haben 45,8% männliche und 54,2% weibliche Probanden teilgenommen. Aus unseren Erhebungen zur Geschlechterverteilung in den Landestourismusverbänden wissen wir, dass zumindest im Destinationsmanagement der Anteil der weiblichen Mitarbeiterinnen überwiegt. Doch betrachtet man die Geschlechterverhältnisse in Relation zur Stellung im Beruf, offenbart sich das strukturelle Problem. Auf Ebene der Geschäftsführung dominieren die Männer – hier sind 69,4% Männer. Und auch bei den Leitenden Angestellten sind Frauen nicht in der Mehrheit, erreichen gerade einmal 50%.

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Problematische Arbeitsverhältnisse

Insgesamt können dies nur erste Hinweise auf problematische Arbeitsverhältnisse sein, sie senden jedoch ein deutliches Signal aus: Hier ist Gegensteuern erforderlich. Der Tourismus ist derzeit alles andere als eine attraktive Branche, auch wenn es im Destinationsmanagement im Vergleich etwa zum Gastgewerbe, Reisebüros oder in der Veranstaltung noch etwas besser aussieht.

Wir werden und wollen uns diesen strukturellen Problemen künftig noch weiter widmen. Die nächste Erhebung zum Tourismusklima werden wir Ende 2021 starten.

 

Zur Methodik

Die Erhebungswelle unserer Wahlumfrage fand vom 01. bis zum 31. Juli statt. Als Online-Befragung auf unserer Website sowie in entsprechenden Sozialen Netzwerken. 203 Personen haben an der Befragung teilgenommen.

pdfDownload der Ergebnisse als pdf.16.56 MB

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