Oswald Pehel (Tourismus Oberbayern München): "Die Zukunft gehört starken Netzwerken."

Geschrieben von Matthias Burzinski am . Veröffentlicht in Lernkurve (Zukunftsblog)

Oswald Pehel

 

Der Tourismus Oberbayern München e.V. – kurz TOM e.V. – ist die touristische Dachorganisation für Oberbayern, eine der stärksten Tourismusregionen in Deutschland. Und: Sie wird 10 Jahre alt! Grund genug, sowohl einen Blick zurück als auch voraus zu werfen. Dazu haben wir Oswald Pehel, den langjährigen Geschäftsführer des TOM e.V. zu einem Interview gebeten, das zum einen die Kontinuität, zum anderen den Wandel der letzten 10 Jahre skizziert. 

 

destinet.de (Matthias Burzinski): 10 Jahre TOM e.V. Herzlichen Glückwunsch! Wir können uns vorstellen, dass der Start damals eine herausfordernde Aufgabe war. Kannst Du Dich persönlich daran erinnern, mit welchen Gedanken Du in den Prozess und Aufbau der Geschäftsstelle eingestiegen bist?

Oswald Pehel: Allem Anfang wohnt ein Zauber inne und das war auch beim Neustart TOM e.V. so. Es war ein sehr bedauerlicher Moment als unser Vorgänger-Verband aufgelöst werden musste und es keinen Tourismus Oberbayern mehr gab. Umso motivierender war es für mich, den neuen TOM e.V. gestalten zu können. Die große Chance war dabei auch, nicht alle Projekte und Maßnahmen aus der Vergangenheit weiterführen zu müssen, sondern dass wir mit einer ganz neuen Gesamtausrichtung und Strategie quasi vom Reißbrett aus starten konnten. Großer Antrieb damals war auch schon wie heute ein sehr motiviertes Team als Motor dieses Starts und ein Mitgliedernetzwerk, das uns wirklich sehr unterstützte und vertraute.


Was waren die Ziele und Motive, die damals zur Gründung des TOM e.V. geführt haben?

Es war fester Wille, die Architektur des Bayerischen Tourismus mit den vier touristischen Regionalverbänden weiterzuführen, weil sie die wichtigen Netzwerker und Tourismusplayer für die Destinationen sind. Bei 14 Tourismusregionen war es klar, dass es eine starke Bündelungsebene Oberbayern und München braucht, um gemeinsame Strategien zu entwickeln und die Themen und Anliegen aus der Fläche zu gestalten und zu koordinieren. Es war auch der Wunsch der Basis, der Tourismuspartner in den Regionen, der Tourismusnahen Verbände und Akteure, dass es einen Tourismus Oberbayern München geben soll. Wir haben unsere Neugründung auch unserem Gründungspräsidenten Robert Salzl zu verdanken, dem es wichtig war, auch starke Verbände und Unternehmen in den neuen TOM e.V. zu integrieren.


10 Jahre gelten bei der Geschwindigkeit der aktuellen Entwicklungen mittlerweile ja schon fast als "Zeitalter". Was waren damals noch die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen im Destinationsmanagement für Obernbayern und München?

Ganz wichtig war es, zusammen mit den Destinationen und Partnern eine klare Strategie zu erarbeiten, welche Aufgaben der TOM e.V. übernehmen soll. Dazu wurde eine Partner-Befragung durchgeführt, welche Erwartungen es an uns gab.
Wichtiger Meilenstein war die Fixierung auf die Kernaufgaben Interessensvertretung, Qualitätsmanagement und Kommunikation. Wegweisend war damals auch die Entwicklung einer Positionierung und Markenentwicklung mit einem klaren Fokus auf die Kernthemen Rad, Wandern, Winter und Kultur im Verbund mit profilierenden Querschnittsthemen und Werten, die künftige Produkte oberbayernspezifisch aufladen sollten. Mit den Wasserradlwegen Oberbayern konnten wir eine erste Produktklammer für ganz Oberbayern schaffen, welche Stadt und Umland aber auch Alpen und ländliche Destinationen miteinander in Beziehung setzten.


Der TOM e.V. ist mittlerweile fest verankert in der Tourismusfamilie und hat sich zu einer der Impuls gebenden DMOs entwickelt. Jetzt dürfen wir es also mal sagen: Gab es auch mal Rückschläge und was habt ihr daraus gelernt?

Glücklicherweise gab es nie echte Rückschläge, es war nur immer wieder notwendig, unsere Strategie und Gesamtausrichtung an neue Rahmenbedingungen anzupassen und weiterzuentwickeln. Besonders prägend war hier natürlich die Corona-Krise, in der sich das Gesicht des gesamten Tourismus komplett verändert hat. Plötzlich waren neue Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Besucherlenkung, Tourismusakzeptanz vorherrschend, es ging darum, welchen Nutzen der Tourismus für Einheimische und Lebensräume schaffen kann. Das hat unsere ganze TOM Architektur massiv beeinflusst, ganz neue Geschäftsfelder wurden plötzlich etabliert, Projekte wie der Ausflugsticker Oberbayern oder der Nachhaltigkeitskompass entstanden.


Was sind für Dich die maßgeblichen Erfolgsfaktoren für den Aufbau und den "Betrieb" einer solchen Organisation wie den TOM e.V.?

Der größte Erfolgsfaktor ist die Partizipation. Die Zukunft gehört starken Netzwerken, das gilt gerade in der Tourismusbranche – und die lassen sich nur durch intensive Einbindung der Regionen, Tourismusbetriebe, Verbände schmieden und gestalten. Die Digitalisierung hilft uns dabei, in Workshops, Arbeitsgruppen und Themenwerkstätten Lösungsstrategien zur Nachhaltigen Destinationsentwicklung, oder Ausgestaltung unseres Themenmanagements zu erarbeiten. Darüber hinaus braucht es aber Netzwerkveranstaltungen und Face- to-Face Austausch um die Partner einzubinden. Ich glaube auch, dass wir den Tourismus nicht mehr nur sektoral aus einer Schublade heraus betrachten können. Nur im Verbund mit Einheimischen, Mobilitätsanbietern, dem Handel oder der Freizeitwirtschaft lassen sich künftige Tourismusprojekte umsetzen.


Was sind aus Deiner Sicht jetzt und heute die größten Herausforderungen für den Tourismus in Oberbayern und München?

Der Tourismus wird immer mehr zum Lebensraummanager und hier stellt sich die Frage, wie der Tourismus künftig seiner Rolle gerecht werden kann. Was kann und muss der Tourismus koordinieren und initiieren, wo muss eine Stabübergabe an andere Bereiche im Standortmanagement stattfinden. Ganz wichtig ist auch, dass der Tourismus künftig eine zentrale Rolle in der Gestaltung attraktiver Räume einnehmen muss. Daraus speist sich auch der zentrale Mehrwert für die Bevölkerung aber auch die Unternehmen, die auf Arbeitskräfte angewiesen sind. Das Bild des Tourismus wird vielfältiger und bunter, er muss seine Netzwerk-Kompetenz vertreten und offensiv einbringen. Hierfür brauchen wir aber dringen die Wertschätzung, Wahrnehmung und Unterstützung auch auf politischer Ebene. Ohne eine langfristige Finanzierung sind nicht nur der Freizeitstandort für Gäste, sondern vor allem auch der Lebensraum für Einheimische und die eigentlich nicht verlagerbaren Arbeitsplätze gefährdet. Entscheidungen zur Tourismusfinanzierung oder verzerrte Rahmenbedingungen im Vergleich zum Wettbewerber, bei uns durch die Grenznähe nicht unrelevant, wie die aktuelle Entscheidung zur Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie sind dabei kontraproduktiv.


Blicken wir mal voraus: Wo steht der TOM e.V. in 10 Jahren und womit wird er sich dann befassen?

Ich glaube, dass der Tourismus immer mehr zum Gestalter attraktiver Lebensräume wird, in denen Tourismus und Freizeitqualität eine wesentliche Rolle spielen wird – auch noch in 10 Jahren. Das wird aber auch neue Management-Strukturen bedingen. Es entstehen schon heute neue Mischformen beispielsweise von Arbeit und Freizeit, wie etwa im Trend Workation. Urlaub und Reise wird nicht mehr isoliert zu sehen sein, sondern wird in ganz vielen Bereichen eine Rolle spielen. Der Nahbereich wird als Urlaubsdestination sicher noch wichtiger, alternative Mobilitätsformen werden das Reiseverhalten in Oberbayern maßgeblich beeinflussen, also mehr Öffentliche Verkehrsträger, Radtourismus und E-Moblität in den Destinationen. Den Markenkern authentischer, echter Reiseerlebnisse und intakter Kultur, wertvoller Naturräume und einen hohen Level im Resonanztourismus wird Oberbayern aber mit Sicherheit behalten und weiter ausbauen können. Und wir werden noch mehr Einflussnahme auf politischer Ebene bekommen, in dem wir immer wieder betonen, wie stark die Wertschöpfung durch den Tourismus ist. Mit einem nun erstmalig in Bayern existierendem Tourismusministerium sind wir hier in eine gute Richtung gestartet.

Vielen Dank, Oswald, für das Interview!

Mehr zum TOM e.V.: https://top.oberbayern.de/

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