Hansjör Mair (Schwarzwald Tourismus): "Die Steigerung der Datenkompetenz im Schwarzwald ist ein erklärtes Ziel."

Geschrieben von Matthias Burzinski am . Veröffentlicht in Lernkurve (Zukunftsblog)

Hansjör Mair

 

Zahlen, Daten, Monitoring: Die Welt wird vermessen - nur das Destinationsmanagement und auch der Tourismus insgesamt verharren noch ein wenig in eindimensionalen Statistiken. Symbolisch dafür stehen die Ankünfte und Übernachtungen der "amtlichen Statistik", die eigentlich noch nie so richtig aussagekräftig waren, weil sie immer nur einen Teil des Marktes abbilden. Jetzt wirken sie geradezu aus der Zeit gefallen, weil der Tourismus sich nicht nur über die Nachfrage definiert, sondern ein komplexes System ist.

Datenkompetenz ist nicht gerade ein herausragendes Merkmal der Branche - es fehlt vor allem an Fachwissen jenseits betrieblicher Daten. Mit dem Schwarzwald Monitor Tourismus versucht die Destination sich an einem neuen Datenpool. Hansjörg Mair verschafft uns im Interview einen Überblick über den Ansatz des neuen Dashboards.
Die Fragen stellte Matthias Burzinski.


destinet: Bevor wir zum Schwarzwald Monitor Tourismus kommen eine Frage vorab: Beim letzten Interview, das wir geführt haben, steckten wir noch in der Coronakrise und Sie haben verkündet: "Menschen wollen reisen!" Jetzt scheint es so als reisten - und v.a. fliegen - so viele wie nie zuvor. Wir fragen uns manchmal: Was ist aus der Diskussion um Nachhaltigkeit und Klimawandel geworden? Zählen doch wieder nur Quantitäten?


Hansjörg Mair: Nein, Übernachtungszahlen und Quantität allein sind nicht maßgeblich. Im Vordergrund steht heute ein verantwortungsvoller Tourismus von dem sowohl die Gäste wie auch die Einheimischen profitieren. Und dazu gehört neben der ökonomischen auch die ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Tourismus. Denn der Erhalt einer intakten Umwelt und der Schutz des Klimas sind die Existenzgrundlagen für eine erfolgreiche und zukunftsfähige Tourismuswirtschaft.

Der Schwarzwald Monitor Tourismus führt verschiedenste Datenquellen für die Branche zusammen. Was genau waren oder sind die Idee und das übergeordnete Ziel dahinter?

Die Komplexität im Tourismus steigt und stellt Verantwortliche vor immer größere Herausforderungen. Um zielgerichtetes Marketing betreiben zu können sind Touristiker auf Zahlen, Daten, Fakten und deren Messbarkeit angewiesen - denn sie bilden die wirtschaftliche Basis des Tourismus.
Bisherige Ansätze waren oft rückwärtsgewandt und lieferten nur begrenzte Erkenntnisse. Der Schwarzwald Monitor Tourismus bietet uns nun die Möglichkeit in die Zukunft zu schauen und quasi wie in einem Cockpit die Geschäfte proaktiv zu steuern, Prozesse zu optimieren und bessere Entscheidungen zu treffen, um den Erfolg der Destination zu steigern. Akteure, die diese neuen Technologien wie Smart Data oder künstliche Intelligenz nutzen, haben damit einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Der Schwarzwald Monitor Tourismus ist ein solch innovatives und völlig neuartiges Monitoring-Instrument, zugeschnitten auf den Schwarzwald. Mit dem Dashboard wird es möglich, Nachfragetrends abzuleiten, bedarfsorientierte Angebote zu erstellen und das Marketing im Hinblick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Zielgruppen sowie der Einheimischen zu optimieren.
Neben den Daten zum gesamten Schwarzwald kann der Monitor die Informationen bis auf Gemeindeebene bereitstellen und bietet somit einen Wissenstransfer bis in die einzelnen Orte unserer Region.

 

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Ein Ergebnis der eigenland®-Session (30 Teilnehmer:innen, höchste Zustimmung = 5)
von Matthias Burzinski zur Zukunft des Destinationsmanagements
im Rahmen der ITB 2023. Grafik: destinet.de



War es technisch und organisatorisch schwierig und aufwändig, die Daten zusammenzuführen?

Die Entwicklung des Schwarzwald Monitor Tourismus war aufwändig. Wir haben dafür die notwendigen Partner gefunden, die uns die Daten entsprechend aufbereitet liefern bzw. die technische Umsetzung durchgeführt haben. Dafür können wir und unsere Partner in Zukunft viel Zeit sparen, da wir alle Daten auf einen Klick aufbereitet zur Verfügung haben.

Die Nutzung des Schwarzwald Monitor Tourismus kostet in der Vollversion etwas. Ist das letztlich auch eine neue Finanzierungsmöglichkeit für DMOs?

Nein, wir wollen mit dem Monitor kein Geld verdienen. Es geht vielmehr darum sich die Kosten zu teilen. Wer bei uns mitmacht, bekommt die Daten günstiger als wenn er sie alleine einkauft. Und zum anderen wollen wir mit den Gebühren den Monitor kontinuierlich weiterentwickeln und neue Daten hinzufügen. So bleibt die Nutzung für alle Partner interessant und relevant.

Wir stellen vor allem in unserer Akademie destinetCHANGE immer wieder fest, dass es um die Datenkompetenz der Tourismusakteure*innen nicht immer gut bestellt ist. Von Unwissen bis hin zu Verweigerung ist da alles vertreten. Wie wollen Sie dieses Thema angehen?

Die Wichtigkeit von Daten nimmt stetig zu. Die Steigerung der Datenkompetenz im Schwarzwald ist ein erklärtes Ziel des Projekts. Denn mit den aufbereiteten Zahlen des Schwarzwald Monitor Tourismus finden auch Personen, die bisher nicht mit Zahlen gearbeitet haben einen leichteren Zugang. Wir bieten außerdem kostenlose Workshops gemeinsam mit den Experten der Datenquellen an, in denen der Monitor und seine Nutzung ausführlich erklärt wird. Darüber hinaus stehen die Aufzeichnungen der Workshops den Nutzern Dauerhaft auf Youtube zur Verfügung.
Aber auch Beherbergungsbetriebe können vom Schwarzwald Monitor Tourismus profitieren. Der Umgang mit Zahlen ist ihr tägliches Brot. Wir sind sicher, dass unsere Beherbergungsbetriebe von den kompakt aufbereiteten Daten des Monitors profitieren werden.

Wir arbeiten gerade als Auftragnehmer in zwei Smart-City- und Smart-Region-Projekten mit, die neben dem Tourismus und der Freizeit auch stadt- und regionalplanerische Schwerpunkte haben. Dort entstehen oder existieren ebenfalls umfassende Dashboards, darin viele Echtzeitdaten, von denen die Tourismusbranche kaum etwas ahnt. Ist es nicht sinnvoller, sich in diese übergeordneten Prozesse einzuklinken?

Wir haben uns beim Schwarzwald Monitor Tourismus bewusst auf Daten beschränkt, die für den Tourismus unmittelbar relevant sind. Denn er ist ein Monitoring- und Steuerungsinstrument speziell für die Tourismusbranche im Schwarzwald und soll Entscheidungsträger bei ihrer Arbeit unterstützen. Durch die kombinierte Darstellung ausgewählter Daten liefert der Schwarzwald Monitor Tourismus uns und unseren Partnern wertvolle Informationen für die Preisgestaltung und ermöglicht eine zielgerichtete Planung von Marketingaktivitäten. Vielfältige Informationen über die Gäste, die sich für unsere Ferienregion interessieren und deren Reiseverhalten ermöglichen es uns, Nachfragetrends abzuleiten, bedarfsorientierte Angebote zu erstellen und Tourismusstrategien mit Blick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gäste zu optimieren. Durch die Einbindung der Tourismusakzeptanzwerte haben wir aber auch immer die tourismusrelevanten Bedürfnisse der Einheimischen im Blick.
Aktuell beinhaltet der Schwarzwald Monitor Tourismus somit alle unmittelbar relevanten Studien und Zahlen wie oben erwähnt. Mit dem Finanzierungsmodell es Monitors möchten wir das Dashboard künftig in Hinblick auf dynamische Daten weiter ausbauen. Mit den Trenddaten von myrate haben wir bereits einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht.

Woran bemessen wir künftig eigentlich den Erfolg des Tourismus?

Die Steigerung der Wertschöpfung aus dem Tourismus für die Betriebe und damit einhergehend für die Region als attraktiver Lebensraum ist heute entscheiden. Denn neben dem Erlebniswert für die Gäste ist auch auf die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung mit einem breiten Freizeit- und Gesundheitsangebot ein Garant für touristischen Erfolg.

Vielen Dank für das Interview und die Initiative zum Schwarzwald Monitor Tourismus.

Bild: Schwarzwald Tourismus

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