Brief aus Hong Kong #1: Von Masken, Tests und neuen Qualitäten

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Warum ein Brief aus Hong Kong in unserer Lernkurve?

Es mutet auf den ersten Blick vielleicht seltsam an, dass wir ab sofort in unserem neuen Tourismusblog einen regelmäßigen Brief aus Hong Kong veröffentlichen wollen. Was nützt uns das hier vor Ort in Deutschland, Österreich oder Europa?

Dazu muss man einerseits wissen, dass mich mit Andrea Springmann gemeinsame und erfolgreiche Jahre in der Tourismusberatung verbinden, die stets von einer intensiven Auseinandersetzung mit den aktuellen touristischen Entwicklungen geprägt waren. Andererseits hat Andrea von Ihrem neuen Lebensmittelpunkt in Hong Kong eine besondere Sicht auf einen touristischen Markt, der sowohl als Quellmarkt wie auch als Benchmark, Referenz und Studienobjekt spannend ist. Und nicht zuletzt sind uns die Menschen in Hong Kong, China und Asien im Hinblick auf die Corona-Krise um Einiges voraus, was, ohne die Systemunterschiede leugnen zu wollen, hilfreich und lehrreich sein kann.

Andrea kann und soll uns daher in Ihrer neuen Blogkolumne den Blick schärfen, neue Perspektiven und Insights eröffnen, sowohl privat wie auch fachlich. Und wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit, den Tourismus als globales und vernetztes System kooperativ neu zu denken? Von Hong Kong bis in den Schwarzwald. (Matthias Burzinski)

 

Brief aus Hong Kong #1

Inzwischen befinden wir uns hier fast am Ende der 10. Woche Homeschooling. Die Osterferien stehen an, worauf wir uns alle freuen!

Seit Ende Januar tragen hier nahezu 100% der Menschen Masken, und zwar geschieht das freiwillig. Die Schulen sind geschlossen und Homeoffice ist angesagt. Das hat alles gut geklappt. Die Bevölkerung hat sich daran gehalten. Es wurde nie wirklich richtig schlimm in Hong Kong. Und das, obwohl wir direkte Nachbarn zu China sind.

Wir konnten mehr oder weniger unser Leben hier wie gehabt weiterführen. Es gab kaum Einschränkungen - rausgehen, abends ausgehen, Kinos waren auf und auch alle Parks und Spielplätze.

Uns trifft aktuell eine zweite Welle von Covid-19. Seit letzter Woche Samstag gilt nun auch hier, dass sich nicht mehr als vier Personen in der Öffentlichkeit treffen dürfen, Parks und Spielplätze wurden zugemacht, Museen und Bibliotheken folgten. Die neuen Maßnahmen treffen die Hong Kong Chinesen und uns Expatriats sehr. Die Rückkehrer u.a. aus Europa haben das Virus wieder mitgebracht. Da sich einige nicht an die Selbstquarantäne gehalten haben, haben sich dadurch neue Ansteckungscluster gebildet.

Vor ca. drei Wochen dachten wir hier, dass sich die Situation entspannt hat. Leider nicht, im Gegenteil, es wurde schlimmer als zu Anfang.
Gleich zu Beginn von Corona schlossen die zwei Hauptattraktionen u.a. Disneyland und der Ocean Park. Kurz danach folgte die Schließung aller Museen und sonstigen öffentlichen Einrichtungen. Nach sechs Wochen schien die Situation besser zu werden und Schritt für Schritt wurden Museen geöffnet, Schwimmbäder, Tennisplätze und weitere Freizeiteinrichtungen wurden zugänglich.

Maßnahmen beibehalten

Doch durch die zweite Welle wurde sofort wieder alles geschlossen und die Maßnahmen sind viel drastischer als zu Anfang. Mein Rat an Europa, auch wenn die Kurve flacher wird, konsequent die Maßnahmen beibehalten. Bitte keine zweite Welle bekommen, wie es aktuell in Hong Kong und Singapur passiert. Die zweite Welle kann härter treffen als die erste! Und aus den Fehlern lernen und Ratschläge annehmen. Vor Wochen wurde ich noch von einigen Freunden und Bekannten belächelt, als ich das mit dem Maskentragen empfohlen habe. Meinen Eltern hatte ich sofort welche geschickt, aber mein Vater meinte, da wird er nur blöde angeschaut, wenn er sich eine aufsetzt.

Inzwischen werden Masken in Deutschland selbst genäht. Österreich hat Maskenpflicht während des Supermarktbesuchs eingeführt.
Interessanterweise haben alle erwartet, dass z.B. Hong Kong, Singapur und Taiwan am meisten vom Coronovirus getroffen werden. Aber zwei Monate später sind wir die am wenigsten Betroffenen. Und das ist nicht eine Sache von Glück, sondern von einer strikten Befolgung der Maßnahmen der Regierung. Die Maskenabdeckung beträgt 100 %, egal wo man hingeht. Und es wurde sofort und konsequent gemeinsam gehandelt.

Die taiwanesische Regierung hat eine App entwickelt, Name ist emask, welche in “real time” zeigt, wo und in welchem Drogeriemarkt oder in welcher Apotheke Masken erhätlich sind. Ein sehr hilfreicher Service für die Bevölkerung und man fühlt sich versorgt und sicher wie mir Freunde aus Taiwan erzählen. Südkorea hat die Coronakrise mit schnellen Tests in den Griff bekommen. Die Tests werden kostenlos und unkompliziert durchgeführt.
Das mit den zugänglichen Tests wird sicherlich ein wesentliches Thema für die Tourismusbranche werden. Man darf erst ein Flugzeug, Zug, Schiff oder Hotel betreten, wenn man nachweisen kann, dass man kein Coronaträger bzw. gesund ist. Das heisst, wir brauchen einen unkomplizierten und schnellen Zugang zu Corona Testsets.

Zusammenarbeiten und austauschen

Die Tourismusindustrie in Hong Kong hat vor Covid-19 schon sehr gelitten. Durch die anhaltenden Demonstrationen und Unruhen in Hong Kong gingen die Übernachtungszahlen sowieso rapide zurück und durch Covid-19 dann ganz auf null.

Hier sind die Leute zuversichtlich, dass der Tourismus sich wieder erholen wird. Asien scheint in Krisen widerstandsfähiger zu sein als aktuell Europa. Das hat sicherlich unterschiedliche Gründe u.a. aus interkulturellen Gesichtspunkten und politisch getrieben.

Ich beobachte das auch in meinem privaten Umfeld. Es ist spannend zu beobachten, wie jedes Land / jeder Kontinent andere Wege hat, mit der Krise umzugehen. Das passiert schon alleine in Deutschland auf landes- und regionaler Ebene.

Doch was sicher ist, wir brauchen einen globalen Plan. Zusammenarbeiten und Austauschen sind die Stichworte! In dieser globalen Krisen umso mehr. Wir brauchen keinen Nationalismus. Man sieht es ja, wozu das führt wie z.B. in Ungarn oder den USA.

Zurück auf den Markt

Hier wird diskutiert, wie die Destinationen und die Hauptattraktionen sich wieder auf den Markt begeben. Attraktionen wie Angkor Wat, Hoi An in Vietnam und weitere Kulturstätten erholen sich massiv. Leider leiden unter der Ruhe vor allem die kleinen lokalen Anbieter wie Restaurants, Bed & Breakfast, local Tour Guides. Aber auch Naturreservate wie in Thailand leiden darunter. Zum Beispiel werden mehr als 100 Elefanten in einem Nationalpark in Thailand nicht mehr gefüttert, da ihre Pfleger, die über die Besucher auch Einnahmen generieren, so gut wie keine Einkünfte mehr haben. Dafür müssen schnelle Lösungen her. Und zwar egal wo.

Es ist nun die Frage, wie der Tourismus in Zukunft gestaltet wird. Die Pause als Chance für einen wirklichen Wandel in den Destinationen und bei den Stakeholdern. Neue Standards und Qualitätsrichtlinien für die Destinationen, vergleichbar mit den CSR-Richtlinien und dem ISO 2600 Framework, implementieren und strikt umsetzen. Wie Andreas Reiter in seinem Interview sagt, “a Balanced Tourism” ist angesagt, und wie dieser aussehen wird, dass wissen wir noch nicht. Aber wir können heute schon an neuen Standards und Qualitätsrichtlinien arbeiten.

Und wir können auch von vorherigen Krisen lernen. Hong Kong zum Beispiel hat sich nach SARS fast komplett auf den chinesischen Markt (Geschäftsreise und Einkaufstourismus) und zwei Hauptattraktionen konzentriert, keine Diversifikationen in der Produktgestaltung und Marktbearbeitung. Hauptsache schnell wieder auf den Markt und schnell wieder steigende Übernachtungszahlen.

Als die Proteste im Mai / Juni 2019 anfingen, fiel recht schnell der Hauptmarkt für Hong Kong weg und das war sofort spürbar. Und Covid-19 hat nun den Rest gegeben.

Andrea Springmann PortraitStay safe everybody!
Andrea

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