24. Tourismusgipfel: Zeitenwende und Selbstbeschwörung

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Robert Habeck

 

Nach dem Auftakt zur "Nationalen Plattform Zukunft des Tourismus" am 11. Mai trafen sich in dieser Woche erneut viele Akteure*innen der Branche zum Tourismusgipfel. Das Motto: „Zeitenwende auch in der Tourismuswirtschaft?“ Erneut war Robert Habeck vor Ort und auch Hubertus Heil stellte sich der Branche. Die mediale Resonanz war enorm, im heute journal, in den Tagesthemen & Co. Und der Erkenntnisgewinn?

„Wir haben die vordringliche Aufgabe, den nachhaltigen Wandel zu gestalten und zu bezahlen. Da gilt es, an anderer Stelle Maß zu halten. Die Politik nimmt die Tourismuswirtschaft gern in die Verantwortung. Aber sie hat auch Verantwortung uns gegenüber!“ Mit diesem Appell an die Politik eröffnete der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) Sören Hartmann den 24. Tourismusgipfel in Berlin.

Rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutieren im Hotel Adlon über die Frage „Zeitenwende auch in der Tourismuswirtschaft?“. Dabei geht es insbesondere um die großen Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Personalmangel. Zu den Rednern der Veranstaltung zählten unter anderem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.

Beide gaben zu erkennen, dass die Bedürfnisse der Branche gehört würden. Habeck betonte die Rolle des Tourismus für einen qualitativ erneuerten Wohlstand und sieht große Chancen für die Branche, den Wandel gestalten zu können. Heil kritisierte unter anderem die "Lahmarschigkeit der deutschen konsularischen Abteilungen im Ausland" bei der Visavergabe. Diese hatte Hartmann kritisiert. Die Visavergabe sei derzeit eine große Baustelle mit teils immensen Wartezeiten sowohl für Arbeits- als auch für touristische Visa. „Was wir angesichts von Personalmangel in den Betrieben einerseits und der großen Reiselust andererseits brauchen, ist eigentlich ein Visatransrapid. Derzeit haben wir bestenfalls den Bummelzug. Das muss sich schnellstens ändern“, so Hartmann. Nicht seine einzige Forderung.

Hartmann appellierte an die Branche, nachhaltiger, digitaler und an mancher Stelle auch transparenter zu werden. Mit Blick auf den nachhaltigen Wandel forderte er, diesen engagiert, zielgerichtet und selbstbestimmt anzugehen: „Es ist Zeit zu handeln. In unserem eigenen Interesse, im Interesse unserer Gäste und im Interesse der touristischen Destinationen. Wir müssen das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Wo immer es aus eigener Kraft möglich ist, nachhaltige Veränderungen angehen. Und wir müssen diese Aufgabe wirklich ernst nehmen. Feigenblätter sind zu wenig.“

Anderseits hatte er auch weitere Forderungen an die Politik – in Sachen Nachhaltigkeit aber auch darüber hinaus: „Die Politik muss Innovationen und Forschung vorantreiben und fördern. Das gilt besonders für neue Antriebsformen und Treibstoffe. Tourismus basiert auf Mobilität. Wenn es gelingt, die verschiedenen Formen der Mobilität nachhaltig zu betreiben, ist für unsere Branche viel gewonnen. Für die Forschung brauchen wir Gelder. Investitionen in Innovation. Zudem stehen wir im Wettbewerb mit anderen Branchen, z.B. wenn es um Wasserstoff geht. Auch hier ist die Politik mit uns zusammen gefordert. Sie darf nicht nur anderen Branchen Angebote machen. Sie muss auch für uns Lösungen finden und anbieten!“

Damit die Branche die Herausforderungen der nachhaltigen Transformation bewältigen kann, gehe es aber um noch mehr: Bestehende Entlastungen dürften nicht in Frage gestellt werden, unnötige Belastungen müssten abgeschafft werden, um finanzielle Spielräume zu erhalten. Hartmann forderte deshalb unter anderem „Bürokratieabbau als echtes Konjunkturprogramm“ sowie die Beibehaltung der reduzierten Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie. „Die 7 % jetzt in Frage zu stellen, wäre eine Steuererhöhung zur Unzeit – zum Schaden von Unternehmen wie Gästen“.

In Sachen Personalmangel betonte Hartmann die Eigenverantwortung der Branche, sich als interessanter Arbeitgeber aufzustellen. „Wir müssen das Arbeiten in unserer Branche attraktiver machen: Durch passgenauere Angebote für die verschiedensten Lebensabschnitte.“ Gleichzeitig begrüßte er die Pläne der Bundesregierung zur Arbeitskräfteeinwanderung. Er mahnte jedoch auch an, dass nicht nur die rechtlichen, sondern auch die organisatorischen Grundlagen geschaffen werden müssen.

Der BTW-Präsident kommentierte auch die jüngsten EU-Entscheidungen zum Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe, die in dieser Form zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen zwischen EU- und Nicht-EU-Fluggesellschaften führten. „Emissionen werden kaum verhindert, sondern einfach verlagert. Wenn Langstrecken künftig nur noch über Istanbul oder Dubai führen, statt über Frankfurt und Paris, hilft das nicht dem Klimaschutz. Es schadet lediglich der Wirtschaftszone EU und unseren Betrieben. Hier muss nachjustiert werden!“

Hartmann schloss seine Rede mit folgenden Worten: „Die Tourismuswirtschaft muss sich wandeln. Wir müssen nachhaltiger werden. Wir müssen digitaler werden. Und wir sollten an mancher Stelle auch transparenter werden. Das müssen wir machen im Zusammenschluss mit der Politik, aber insbesondere auch mit allen Akteuren der Tourismuswirtschaft. Und zwar in einer Art, die der Relevanz des Reisens auch gerecht wird.“

Abends schaffte es der Tourismusgipfel in die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen. Das gab es in dieser Form zuletzt in der Corona-Krise. Leider jedoch mit holzschnittartigen Aussagen von allen Seiten. Dagegen war der Erkenntnisgewinn des Gipfels noch eher groß, auch wenn er bekannte Positionen in den Raum stellte. Denn eigenltich musste allen Beteiligten klar sein, dass die Frage nach der „Zeitenwende auch in der Tourismuswirtschaft“ wohl eher eine rhetorische war. Was sonst? Ein Zurück dürfte es angesichts der existenziellen Herausforderungen kaum geben. Insofern war das Treffen eher eine Beschwörung der Transformationskräfte in der Branche, ein Schulterschluss. Taten müssen folgen, sowohl auf Seiten der Branche als auch auf Seiten der Politik. 

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Foto: ©Svea Pietschmann/BTW