Grüne Tourismuspolitik: "Wir sehen noch weiteres Effizienzpotenzial bei der DZT."

am . Veröffentlicht in Nachhaltigkeit & CSR

Markus Tressel

Die Grünen haben nun auch im Bund den Tourismus als Politikfeld entdeckt: Spät, aber nicht zu spät. Seitdem Markus Tressel als tourismuspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen agiert, scheint es auch in der Tourismuspolitik endlich einmal kontroverse Diskussionen zu geben. Zuletzt war Tourismuspolitik aus Berlin - abgesehen von der Mehrwertsteuersenkung für Beherbergungsleistungen - vor allem ein Synonym für Langeweile und befremdlichen Konsens. Mit einem neuen 10-Punkte-Programm, das in den nächsten Tagen veröfffentlicht werden soll, wolllen die Grünen jetzt neue Impulse für den Tourismus setzen - gerade auch in den Regionen. Und auch die Rolle der DZT steht auf dem Prüfstand - zumindest bei den Grünen.
Zum Start des neuen Ressorts Nachhaltigkeit wollte Matthias Burzinski von Markus Tressel erfahren, was grüne Tourismuspolitik kennzeichnet.

Am 02. Dezember 2012 hat erstmals ein "Grüner Tourismusgipfel" in Berlin stattgefunden. Und mit Ihnen als tourismuspolitischer Sprecher treten die Grünen deutlich wahrnehmbarer in der Tourismuspolitik auf. Warum haben die Grünen den Tourismus erst so spät als Politikfeld entdeckt?

Die Tourismuspolitik ist primär Ländersache. Nach dem neuen EU-Vertrag hat nun auch die EU mehr Kompetenzen. Folglich hat die Bundespolitik so ihre Probleme gehabt, die Erwartungshaltung an die Tourismuspolitik zu erfüllen. Das gilt aber für alle Fraktionen, nicht nur für die Grünen. Wir sind immer noch die kleinste Fraktion, doch seit der letzten Wahl haben wir so viele Abgeordnete wie noch nie. Deshalb ist es auch einfacher für uns geworden, uns auch auf allen wichtigen Politikfeldern zu bewegen. Genau das habe ich in der Tourismuspolitik vor. Und ich denke, dass das in den letzten beiden Jahren ganz gut gelungen ist, wenngleich es sehr schwer ist, hier Fuß zu fassen. Aber vielen Dank für das Lob. Das zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind.

In der Tourismusbranche haben viele das Gefühl, dass deren Beitrag zur Volkswirtschaft, aber auch zur Lebensqualität der Menschen von der Politik nach wie vor unterschätzt wird. Woran könnte das liegen?

Entschuldigen Sie, aber ich muss Ihnen teilweise widersprechen. Wir müssen hier zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik differenzieren.
Als Bundespolitiker ist mein Eindruck nach zwei Jahren im Tourismusausschuss: Das Thema ist gut, der Ausschuss bleibt manchmal hinter seinen Möglichkeiten zurück. Dennoch muss man festhalten: Es gibt einen Tourismusausschuss und keinen für die Automobilindustrie oder andere Branchen.
Der Tourismusausschuss besitzt aber leider noch nicht die Reputation innerhalb der Bundespolitik, die er verdient. Die wichtigen Themen, sei es die Mehrwertsteuersenkung für Hotels, die Instrumente der Regionalentwicklung, die infrastrukturelle Anbindung der Destinationen, das Reiserecht oder die Gesundheitsgefährdung durch Kabinenluft in Flugzeugen: Alles wird in anderen Ausschüssen federführend behandelt. Dadurch gelingt es auch nicht, die Reisenden, die Reiseindustrie und -wirtschaft entsprechend in den Fokus zu rücken. Den unbedingten Willen einige Themen auch mal bei uns federführend zu behandeln, sehe ich auch nicht bei allen. Stattdessen wird sich gerne auf einzelne Urlaubsformen beschränkt. Das ist meines Erachtens der Fehler der vergangenen 22 Jahre. Denn in den Regionen liegt das Potenzial in unterschiedlichen Bereichen. Auf Bundesebene geht es darum, zu koordinieren. Mit unserem Tourismusgipfel am 2. Dezember haben wir dafür die Grundsteine gelegt. Die Resonanz war super.
Das zeigt auch, dass ich als Landes- und Kommunalpolitiker ihre These so nicht bestätigen kann. Ich komme aus dem Saarland. Dort müssen wir einen Strukturwandel bewältigen. Da gewinnt der Tourismus zunehmend an Bedeutung. Und das merkt auch die Landespolitik. Auf kommunaler Ebene gibt es gravierende Unterschiede. In einigen Kommunen wird doch massiv in den Tourismus investiert. Das ist leider zuweilen völlig verfehlt, weil man sich beispielsweise mit Schneekanonen gegen den Klimawandel wehren will. Ich sehe jedenfalls bei meinen Terminen in Klein- und Mittelstädten sowie auf dem Land, dass die Tourismuspolitik, je kleiner die Ebene wird, an Bedeutung gewinnt.

In Baden-Württemberg hat nach dem Regierungswechsel die Verlagerung des Tourismus vom Wirtschaftsministerium ins Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zunächst mal Irritationen ausgelöst, vor allem bei den Destinationsmanagern und -managerinnen in den Städten, die den wesentlichen Teil des touristischen Aufschwungs hierzulande tragen. Findet für die Grünen der Tourismus nur im Ländlichen Raum statt?

Nein. Dagegen sprechen die nackten Zahlen. Allein der Geschäftsreisemarkt ist wichtiger als der der Privatreisen. Das betrifft dann vor allem Städte. Die Frage ist aber, wie auch der ländliche Raum von diesem Trend profitieren kann. Gerade in Baden-Württemberg lebt der Tourismus doch von den Wechselwirkungen zwischen Stadt und Land. Das Ministerium betreut zudem die gesamte regionale Wirtschaftsförderung. Damit ist geradezu ein Modellcharakter gegeben, über den sich die Destinationsmanagerinnen und -manager freuen sollten. Vom Titel des Ministeriums sollte man sich dabei nicht blenden lassen. Der Tourismusminister, Alexander Bonde, ist ein sehr guter Ansprechpartner, wenn es um den Tourismus geht.

Wie sieht denn "grüner" Städtetourismus aus?

Die An- und Abreise mit der Bahn, dem Bus – oder wenn nicht anders möglich dem Flugzeug – funktioniert reibungslos. Bei Problemen wie Verspätungen, Annullierungen oder Streiks ist es ganz leicht den Verkehrsträger auch kurzfristig zu wechseln, weil intermodal zusammengearbeitet wird. In der Stadt und vor Ort ist es mit meinem Smartphone möglich, in ein Elektroauto einzusteigen oder den gut ausgebauten ÖPNV nutzen. Das Hotel, das ich gebucht habe, zeigt mir bei Bedarf, wie groß die Emissionen sind, die ich verursache. Es hat ein einfaches Siegel, das mir bei der Buchung gleich klarmacht, dass hier erneuerbare Energien und Energieeffizienz Standard sind. Die Ampel an der Küche zeigt mir grün. Die Hygiene ist hier also ebenso selbstverständlich wie die regionalen oder auch Bio- und fair-trade-Produkte. Die Unternehmen wissen stets, dass auch Meetings und Messen klimaneutral gestaltet werden. Das Destinationsmanagement sorgt dafür, dass ich mich über diese Angebote einfach, klar und schnell informieren kann. Und vor Ort hilft mir das gut geschulte Personal unter fairen Arbeitsbedingungen weiter, wenn ich mich dort weiter informieren möchte – egal welche Sprache ich spreche.

Das Thema Nachhaltigkeit ist sowohl Megatrend als auch eine der größten Herausforderungen für den Tourismus. Nachhaltigkeit wird dennoch immer noch stark auf den ökologischen Aspekt reduziert. Wie interpretieren Sie das Thema Nachhaltigkeit in seinen Dimensionen für den Tourismus?

Also ich habe eher den Eindruck, dass Nachhaltigkeit mittlerweile so inflationär gebraucht wird, dass die Ökologie oft zu kurz kommt. Ich meine, mittlerweile könnte man ja glauben, dass man etwas gutes tut, wenn man fliegt; so schön sind die Nachhaltigkeitsberichte der Airlines geschrieben.
Nein, wir wollen einen Dreiklang. Ökologie und Ökonomie müssen miteinander einhergehen und dabei soziale Aspekte integrieren. Wir wollen, dass der Tourismus auch tatsächlich einen Beitrag für die einzelne Region leistet. Von 100 investierten Euro verbleiben derzeit nur 36 in der Region. 50 Prozent davon, also lediglich 18 Euro, kommen der ortsansässigen Bevölkerung durch Gehälter oder ähnliches zu. Hier müssen integrierte Konzepte her. Wir befinden uns gerade in den letzten Zügen unseres Papiers „Tourismus für die Region“. Erst wenn der Tourismus einen Beitrag für und nicht nur in der Region leistet, ist er nachhaltig.

Die Grünen haben beim Thema Nachhaltigkeit traditionell einen "Markierungsvorteil". Wie wollen Sie diesen Vorteil in konkretes Handeln für die Tourismuswirtschaft umsetzen?

Natürlich ist die Nachhaltigkeit, in der Ökologie, Ökonomie und Soziales einhergehen, ein grünes Leitmotiv. Aber einen Vorteil dadurch habe ich bislang nicht erkennen können. Wir wollen den Tourismus fördern, aber auch fordern. Das heißt, dass die Verkehrsunternehmen stärker miteinander kooperieren müssen – egal ob Flugzeug, Bus, Bahn, Auto oder Fahrrad. Die Alpine pearls machen es doch vor. Mit der Bahn anreisen und dann Elektromobilität vor Ort nutzen. Warum funktioniert das bei uns noch nicht einmal in den großen Städten? Wir wollen transparente Angebotsstrukturen für Unternehmer, die in Energieeffizienz und vor allem Erneuerbare Energien oder Barrierefreiheit investieren wollen. Und wir haben andere Konzepte in der Schublade, als eine Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers, die weder soziale noch ökologische Lenkungswirkung hat – und so Leid es mir für die Branche tut – auch keinen positiven wirtschaftlichen Gesamteffekt hat.

In den Städten und Regionen klagen zahlreiche Destinationsmanagerinnen und -manager über Budgetkürzungen und einen erhöhten Rechtfertigungsdruck. Sind aus Ihrer Sicht Destinationsmarketing und auch Kulturmarketing als freiwillige Aufgaben der klammen Gebietskörperschaften noch zeitgemäß? Welche Erkenntnisse hat in dieser Hinsicht der "Grüne Tourismusgipfel" in Berlin erbracht? Wie sollte Destinationsmarketing aus Ihrer Sicht finanziert werden?

Zunächst einmal ist die Frage: Wieso ist das bislang fast ausschließlich eine öffentlich finanzierte Aufgabe? Bei der DZT sind von einem Gesamtetat von ca. 27 Millionen Euro ungefähr 25 Millionen durch den Bundeshaushalt gedeckt. Die Beiträge der Partner sind also verschwindend gering. Auf kommunaler Ebene sieht diese Relation ähnlich aus. Und dann muss man sich doch auch mal fragen, ob das angesichts der Bruttowertschöpfung des Tourismus ausreicht, um ein dauerhaft gutes Marketing auf die Beine zu stellen. Da verstehe ich die Klagen der Destinationsmanagerinnen und -manager.
Wir wollen deshalb die Finanzierung der Tourismusförderung auf eine breitere Grundlage stellen. Die Haushaltslage wird dauerhaft viele Tourismusprojekte gefährden. Deshalb müssen auch die Unternehmen stärker beteiligt werden, wie das etwa in Tirol und Südtirol der Fall ist.
Wir sehen auch noch weiteres Effizienzpotenzial bei der DZT. Die vorhandenen Strukturen der DZT, von Germany Trade and Invest (GTAI) und der Außenhandelskammern sollen beim Standortmarketing effektiv und effizienter zusammenarbeiten. Am Beispiel Hamburg kann betrachtet werden, wie die Hamburg Marketing GmbH, der Hamburg Tourismus und die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung gut zusammen arbeiten. Es ist doch eigentlich nicht zu erklären, warum man sich zu Zeiten kommunaler Haushaltsnotlage drei Presseabteilungen, drei verschiedene Websites und Internetredaktionen, drei verschiedene Büros und vieles mehr leistet, obwohl man eigentlich das gleiche Ziel verfolgt: nämlich Standortmarketing.

Früher hieß es einmal, der einzige sanfte Tourist sei derjenige, der zuhause bleibt. Jetzt müssen Sie Farbe bekennen: Wohin fahren Sie selbst gerne in den Urlaub? Welcher "Reisetyp" sind Sie?

Ich bin berufsbedingt fast immer auf Reisen. Ich fliege viel – auch das berufsbedingt. Ich bin mit anderen Worten kein „sanfter Tourist“, wenngleich unsere Fraktion alle unvermeidbaren Emissionen über Atmosfair ausgleicht. Als Privatperson campe ich gerne, das auch gerne im nicht fernen Frankreich oder im Schwarzwald. Letztes Jahr habe ich auch die deutschen Alpen für mich neu entdeckt, aber nicht zum Skifahren. Ich achte sehr darauf, wie ich mich vor Ort verhalte. Ich kaufe regionale Produkte. Ich achte auf ökologische Qualität. Mit anderen Worten: Ich bin neugierig und liebe es die Welt zu entdecken. Manchmal muss man dafür gar nicht weit reisen…

Und zum Schluss noch einige klare Worte bitte:
Bettensteuer, ja oder nein?

Das ist kommunale Finanzhoheit.

Kurtaxe oder Kulturförderabgabe, ja oder nein?

Gilt das gleiche wie bei der Bettensteuer. Meine persönliche Empfehlung: In Städten eher ja, im ländlichen Raum nein.
Mehrwertsteuersenkung für Hotels, ja oder nein?

Nein.

Mehrwertsteuerhöhung für Flusskreuzfahrten, ja oder nein?

Ja.

Bahn oder Fernbusse?

Kommt darauf an. Wenn die Bahn fährt, dann die Bahn.

Ostsee oder Nordsee?

Geht auch sowohl als auch?

http://www.markus-tressel.de