Kein Wachstum mehr? Selbstbeschränkung am Ostseefjord Schlei

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Blick in Studie

 

Die Destination Ostseefjord Schlei definiert Grenzen für ein kapazitätsgetriebenes Wachstums und setzt künftig stärker auf nachhaltige Qualität in der Region.

In den vergangenen Jahren erfreute sich die Schleiregion einer enormen Beliebtheit. Die Corona-Pandemie und die von der Tourismusorganisation Ostseefjord Schlei GmbH (OfS) initiierte Modellregion zur frühzeitigen Öffnung des Tourismus im Jahr 2021 verstärkten diesen Boom zusätzlich. Die einerseits dringend notwendigen Umsätze für den bedeutenden Wirtschaftszeig Tourismus in der Schleiregion führten andererseits aufgrund massiver Besucherzuwächse in den Schlei-Gemeinden und den Städten Kappeln und Schleswig auch zu negativen Auswirkungen. Saisonale Überlastungen der Freizeit- und Mobilitätsinfrastruktur waren in vielen Gemeinden deutlich spürbar und führten in der Folge zu einer erheblichen Abnahme der Tourismus-Akzeptanz seitens der Bevölkerung in der Region.

Ergebnisse aus Einwohnerbefragungen der OfS zeugten von einer steigenden Skepsis gegenüber dem Tourismus. Das Angebot an freizeittouristischen Angeboten war und ist heute vor allem im Sommer noch zu gering für die hohe Anzahl an Gästen. Die Freizeit- und Verkehrsinfrastruktur stößt entsprechend ohne etwaige Anpassungen temporär immer wieder an Grenzen und der Druck auf natursensible Gebiete durch den Tourismus steigt.

Dies zum Anlass beauftragte die OfS das Beratungsunternehmen PROJECT M und die Verkehrsplaner Planersocietät, um mögliche Grenzen für ein kapazitätsgetriebenes Wachstums zu definieren und in einem Konzeptgutachten aus den fünf Blickwinkeln des Wirtschafts-, Lebens-, Erlebnis-, Verkehrs- und Naturraumes neue Perspektiven für einen nachhaltigen und qualitativen Tourismus herauszuarbeiten.

Grenzen des Wachstums

Das mittlerweile vorliegende Konzeptgutachten „Grenzen des Wachstums - Konzept zur qualitativen Entwicklung und Selbstbeschränkung des regionalen Tourismus in der Region Ostseefjord Schlei“ zeige damit bewusste Grenzen auf. Zudem gebe es konkrete Vorschläge, wie kommunale Entscheidungsträger, Tourismusorganisationen und Tourismus- und Freizeitbetriebe proaktiv Maßnahme für die Steuerung und die Verbesserung zu einem nachhaltigen Tourismus in der Region gestalten könnten.

„Zukünftig soll der Fokus rein auf einem qualitativen Wachstum liegen, um den Balanceakt zwischen Werterhalt der Marke Ostseefjord Schlei, der Qualität von Natur, Erlebnis- und Lebensraum und der Wertschöpfung aus dem Tourismus zu meistern“, so Peter C. Kowalsky, Projektleiter vom Beratungsunternehmen PROJECT M. „Die Schleiregion erschließt damit Neuland im Deutschlandtourismus und ist im Sinne eines nachhaltigen und verantwortungsbewussten Destinationsmanagements definitiv ein großes Vorbild für viele Destinationen.“

Insgesamt 15 Schlüsselprojekte werden aus allen Maßnahmen im Gutachten hervorgehoben. Ein Kennziffernsystem ermöglicht zudem das Monitoring der Maßnahmen. So wird die Tourismusorganisation laufend Daten aus Befragungen von Einheimischen- und Gästen erheben, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs prüfen und Statistiken zum Tourismusaufkommen an verschiedenen Erhebungspunkten auswerten. Je nach Ergebnis und Veränderungen in der Marktnachfrage und Angebotsstruktur können damit die Ziele aus dem Gutachten und auch die Maßnahmen entsprechend angepasst werden.

In den vergangenen Wochen habe die OfS das Konzept in diversen Kommunen, den Kreisen und auf Landesebene vorgestellt und dabei ausschließlich zustimmende Beschlüsse erreicht, obwohl es teilweise Verwunderung darüber gab, warum ausgerechnet eine Tourismusorganisation sich für Wachstumsgrenzen einsetze. „Dieses Konzept ist keine Beschränkung der Entwicklung, sondern es sichert den sozialen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit des Tourismus an Schlei und Ostsee“ ist OfS-Geschäftsführer Max Triphaus sicher und konnte damit auch die kommunalen Gremien überzeugen.

Da das Besucheraufkommen aus dem Tages- und Übernachtungstourismus und damit die Tourismusintensität innerhalb der Region sehr heterogen ist, wurden in dem Gutachten Teilräume gebildet, um auf die spezifischen Besonderheiten und Perspektiven der Städte und Gemeinde an der Schlei reagieren und individuelle Maßnahmen vorschlagen zu können.

Während das Konzeptgutachten in und um die Stadt Schleswig durchaus auch noch quantitatives Wachstumspotenzial vorsieht, werden im Rahmen der Positionierung als nachhaltiges Reiseziel für die Gemeinden an der Ostsee und Schlei als auch für die Stadt Kappeln deutliche Kapazitätsgrenzen festgelegt. Die Entwicklung soll sich hier ausschließlich auf die Qualität und die Verbesserung der saisonübergreifenden Auslastung fokussieren, nicht mehr auf die Menge an Betten. In Kappeln wurde sogar eine mittelfristige Reduzierung der Bettenzahl definiert. Diese Kapazitätsgrenzen haben zum einen den Hintergrund, dass man bei fortwährendem Wachstum ein Überangebot auf dem Beherbergungsmarkt und damit einen Preiswettbewerb in der Folge befürchtet, zum anderen jedoch auch die Auswirkungen auf den Lebensraum, die Mobilitätsinfrastruktur und den Naturraum bewusst betrachtet.

Für alle Betrachtungsweisen werden im Konzept Maßnahmen zur Verbesserung des Miteinanders abgeleitet. So sollen die Einheimischen verstärkt in die Angebotsentwicklung einbezogen werden und Tourismusprojekte besser erklärt werden. Basisangebote der Freizeit und Grundversorgung sollen insbesondere da entstehen, wo viele Gäste beherbergt sind. Neue Mobilitätsangebote sollen zu Lande und zu Wasser dafür sorgen, dass die Gäste auf das eigene Auto vor allem bei Tagesausflügen vor Ort in die Region verzichten und die Natur soll durch eine verbesserte Besucherlenkung und Umweltbildungsangebote geschützt werden.

Das Konzept ist öffentlich einsehbar unter https://www.ostseefjordschlei.de/service/businessbereich.

www.projectm.de
www.planersocietaet.de

Bild: Pressebild Ostseefjord Schlei