Projekt ReiseZukunft an der Uni Passau: Erste Handlungsempfehlungen für den Reisevertrieb in Bayern

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Reisebüro

 

Das an der Uni Passau durchgeführte Projekt ReiseZukunft wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert und setzt sich zum Ziel, neue Ideen und wettbewerbsfähige Handlungsempfehlungen für den Reisevertrieb in Bayern zu entwickeln. Nun liegen erste Ergebnisse einer deutschlandweiten Befragung zum Buchungs- und Informationsverhalten in Online- und Offline-Kanälen mit 1.017 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor.

Die Tendenz: Online- und Offline-Welt verschmelzen im Reiseverhalten der Deutschen mehr und mehr. Knapp 45 Prozent der Teilnehmenden gaben demnach an, einmal oder mehrmals jährlich in einem Reisebüro zu buchen. Auf ein Viertel der Befragten, die Reisebüro-Dienstleistungen nutzten, treffe der klassische ROPO-Effekt zu – dabei lassen sich die Kundinnen und Kunden über Online-Kanäle zu Reisezielen inspirieren oder verglichen dort Angebote, greifen aber für die Buchung auf ein stationäres Reisebüro zurück. „Das Ergebnis des ROPO-Effekts zeigt, dass die Online- und Offline-Welt mehr und mehr verschmelzen. Auch der stationäre Reisevertrieb kann sich der Digitalisierung nicht mehr verwehren“, so CENTOURIS-Geschäftsführer Dr. Stefan Mang.

Neben dem Forschungsinstitut CENTOURIS der Universität Passau seien Praxispartner wie die Raiffeisen-Tours RTK-Reisen GmbH zusammen mit der Reiseland GmbH & Co. KG, dem Verband Internet Reisen (VIR) sowie der Kermax GmbH, als einem der größten Reisebüroausstatter Deutschlands einbezogen. Michael Buller, Vorstand des Verbands für Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) bekräftigt: „Ich freue mich sehr über dieses erste Forschungsvorhaben, das rein für den Vertrieb geschaffen wurde.“

Bei ReiseZukunft stehe insbesondere die Anwendungsorientierung im Fokus. Sowohl die Kundensicht, als auch die Perspektive der Reisebüros sei ausschlaggebend. Vor diesem Hintergrund seien regelmäßige Kundenbefragungen sowie Tiefengespräche mit Reisebüros zentrale Projektbestandteile. Die hieraus erlangten Erkenntnisse werden in sogenannten Technik-Labs anwendungsorientiert in ausgewählten Pilotreisebüros getestet.

„Es gibt vor allem in Bayern viele mittelständische Reisebüros und Reiseveranstalter, die von diesem Forschungsprojekt profitieren werden“, zeigt sich RTK-Chef Thomas Bösl überzeugt. „Wichtig ist es nun, im Rahmen des Projekts nicht nur Forschung zu betreiben, sondern sie auch in der Praxis umsetzbar zu machen.“ Um Reisebüros neue Wege im Bereich der Digitalisierung, bei Geschäftsmodellen sowie Angebots- und Serviceinnovationen aufzuzeigen, sind zudem digitale Impulsveranstaltungen mit Expertinnen und Experten in Planung.

Das klassische Reisebüro punktet nach wie vor

Die folgenden fünf Faktoren bewegten die meisten Kundinnen und Kunden dazu, ihre Reisen im stationären Reisebüro zu buchen: Die persönliche Beratung (73,2 Prozent), das individuelle Angebot (46,2 Prozent), die hohe Qualität des Angebots (33,9 Prozent), Unsicherheit bei der Reisebuchung im Internet (17,9 Prozent), Nichtverfügbarkeit des Angebots im Internet (17,5 Prozent). Das klassische Reisebüro punktet bei den Kundinnen und Kunden gegenüber den Online-Buchungsplattformen durch eine bessere Qualität des Urlaubsangebotes und durch ein höheres Maß an Vertrauen in die Buchungs- und Reisesicherheit. Die Umbuchungs- und Stornobedingungen und der Preis werden jedoch bei den Online-Buchungsplattformen vorteilhafter eingestuft.

Kundinnen und Kunden wünschen sich laut den Umfrageergebnissen von einem Reisebüro, dass die Angebote noch besser an ihre Bedürfnisse angepasst werden, Reisebüro-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in die Beratung vermehrt auch persönliche Erfahrungen einfließen lassen und ihnen auch bei Problemen während und nach der Reise als persönliche Ansprechpersonen zur Seite stehen. Weiteres Verbesserungspotenzial des stationären Reisevertriebs besteht aus Kundensicht u.a. bei der flexiblen Terminvergabe und zeitlichen Unabhängigkeit von den üblichen Geschäftszeiten.

Branche sieht Chancen in der Online-Beratung

Ebenso Bestandteil der Studie seien qualitative Expertengespräche mit Reisebürovertretern. Die Ergebnisse aus den Tiefeninterviews mit stationären Reisebüros zeigten, dass während der Pandemie die wichtigsten Kommunikationskanäle zum Kunden Telefon und E-Mail seien. Die Kommunikation über soziale Netzwerke, Whats-App-Business, Online-Beratungsmöglichkeiten und digitale Events hätten an Bedeutung gewonnen. Die Reisebüros sehen in Zukunft eine Chance in der Online-Beratung, da diese orts- und zeitunabhängig durchgeführt werden können. Hilfestellungen zur Erstellung eines Videoraums und Schulungen zu neuen Kommunikationswegen und Technologien sind gewünscht, um den technologischen Fortschritt zu unterstützen.

„Über die Möglichkeiten neuer Technologien und deren Integration herrscht oftmals Unsicherheit. Mit Chatbots der Reiseveranstalter wurden teils unbefriedigende Erfahrungen gemacht. Diese sind nur bei Antworten, die eine Automatisierung erlauben und bei ausgereiften Systemen akzeptabel“, fasst Mang zusammen. Digital Signage, also die Einbindung von digitalen Bildschirmen, nutzen Reisebüros bereits oder planen diese zukünftig zu nutzen. Eine zentralseitige Bespielung mit qualitativ hochwertigem Content sei wünschenswert. Die Möglichkeit eigenen Content z. B. durch regionale Werbung oder eigene Angebote zu integrieren, sollte dennoch unbedingt gegeben sein.

„Digitale Lösungen, wie etwa Digital Signage, mit dem Kerngeschäft zu verbinden, ist ein wesentliches Ziel des Projekts. Wir wollen die Kernkompetenz des Reisebüros, nämlich die individuelle Beratung und den persönlichen Kontakt, nicht aus dem Blick verlieren“, so Harald Reischel, Geschäftsführer der Kermax GmbH.

Auch gegenüber neuen Geschäftsmodellen wie etwa Shop in Shop-Modellen, Pop-Up Stores oder mobiler Reiseberatung zeigen sich Reisebüros offen und setzten diese teilweise schon um. „Größtenteils ist eine positive Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit zu erkennen und Impulse zu etwa der Zusammenarbeit mit lokalen Leistungsträgern werden gewünscht“, sagt Dr. Janine Maier, von CENTOURIS, die die Studie koordiniert. „Die Reisebüros sehen nun auch die richtige Zeit gekommen, um ein Beratungsentgelt für ihren Service zu verlangen und sind sich einig, dass es ohne dieses zukünftig nicht mehr gehen wird.“

Weitere Informationen finden sich auch auf der Projekthomepage https://reisezukunft.de, wo voraussichtlich im April die finalen Ergebnisse beider Erhebungen veröffentlicht werden.

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