Corona-Lektionen: Der Tourismus braucht seine Helden - und ein neues Narrativ

Geschrieben von Matthias Burzinski am . Veröffentlicht in Lernkurve (Zukunftsblog)

Küche, Koch, Helden

 

Was unterscheidet bisher die öffentliche Wahrnehmung der Autoindustrie vom Tourismus? Es ist die nahezu mythologische Aufladung, die dieser „Gebrauchsgegenstand“ des Automobils in den letzten Jahrzehnten erfahren hat.

Die Autoindustrie in Deutschland steht für die Wirtschaftskraft dieses Landes, für seine Ingenieurskunst und – nicht zuletzt – für unsere Freiheit: Freie Fahrt für freie Bürger! Und das immer noch - trotz der mehr als berechtigten Kritik der letzten Jahre und auch jüngsten Tage, in denen die Autoindustrie erneut zum Gipfel ins Kanzleramt gerufen wurde, wenn auch nur virtuell.

Das Problem des Tourismus ist, dass er bisher keine Geschichte erzählt (hat)

Und der Tourismus? Bemüht sich seit Jahren redlich mit Hinweisen auf die wirtschaftlichen Effekte, diesen Status nur annähernd zu erreichen. Bisher, denn: Wir sind live dabei, wie sich ein Wandel in der Wahrnehmung vollzieht. Mit der Coronakrise verändert sich die Perspektive auf den Tourismus und das Gastgewerbe.

Der beispiellose Nachfrage- und Angebotsschock für den Tourismus, seine Präsenz in der öffentlichen Wahrnehmung, die auch emotionalen Diskussionen darum, sie rücken das Reisen in ein neues Licht. Wenn Tim Mälzer in der Talkshow bei Markus Lanz gegen die Tränen kämpft, weil er um sein Unternehmen und v.a. seine Mitarbeiter fürchtet, dann entfaltet das bei aller Tragik der scheinbar ausweglosen Situation eine ungeheure Identifikationskraft.

 

 

Niemand hat sich dieses Virus gewünscht, niemand möchte, dass es bleibt und uns weiter quält, aber: Es hat - auch hier, in der öffentlichen Wahrnehmung unserer Branche - etwas geschafft, das wir in Jahrzehnten vorher nicht hinbekommen haben. Warum? Weil wir falsch kommuniziert haben.

Das Virus legt Fehler offen

Doch jetzt ist die Chance da, das zu ersetzen, was auch schon vor Corona falsch war in der Kommunikation: Nämlich zu versuchen, die Wertschätzung einzig durch Fakten zu erhöhen. Nein, der Tourismus braucht auch Geschichten, Emotionen, „Helden“ – auch in der B2B-Kommunikation.

In unseren Aufträgen, Seminaren und Vorträgen zum Storytelling setzen wir schon seit Längerem auf das Storytelling auch in der B2B-Kommunikation. Wir brauchen diese Helden! Wir wissen doch aus dem Marketing um die Macht der Geschichten. Das universelle Erfahrungsmuster der „Heldenreise“ steckt so tief in uns, dass es nicht umsonst als Erzählprinzip und machtvolles Praxisinstrument des Storytellings, der Pädagogik, des Coachings und eben auch im Management eingesetzt wird. Die Heldenreise, die der Mythenforscher Joseph Campbell in den 50er Jahren entdeckte, ist zudem die Blaupause für unsere moderne Customer Journey, das Grundgerüst unserer gesamten touristischen Praxis.

 

Die Heldenreise ist Blaupase für das Storytelling und den modernen Tourismus

 

Wir brauchen jetzt diese echten Gefühle. Unser Gehirn ist keine Festplatte die Daten speichert, sondern ein einzigartiges Organ, das Emotionen mit Fakten und Erfahrungen vermischt - zum persönlichen Nutzen. Wir müssen demnach die Kommunikation um Gefühle erweitern, das vermitteln, was Tourismus für die Profis, die Leistungträger*innen, auch die Politik und letztlich auch die Bürger*innen bedeutet.

Dies geht nicht ohne Dramaturgie. Die Heldenreise folgt einer spezifischen Dramaturgie, die wir uns zunutze machen müssen, um Geschichten zu erzählen. Wir alle kennen die Plots: Gut gegen Böse, vom Bettler zum König, die Erfüllung einer Mission, Tragödien und: die Wiedergeburt! Diese Geschichten müssen wir erzählen, so lange uns Corona noch begleitet und dann auch darüber hinaus. Denn wir haben doch mindestens eine ebenso starke Mission wie die Autoindustrie: Wir schicken die Menschen auf Ihre eigene persönliche Heldenreise! Wir schenken ihnen neue Erfahrungen. Und Glück.

Die Fakten lassen wir dabei selbstverständlich nicht außen vor, wir brauchen sie weiterhin, aber wir übersetzen sie in persönliche Heldengeschichten, verbinden sie mit Gefühlen und Erfahrungen, vom Kampf gegen die Corona-Krise bis hin zur Mission, den Menschen durch Reisen glücklich zu machen, beizustehen, einen Raum zum Reden und Leben zu geben. Das sind unsere Narrative, nicht nur gegenüber unseren Gästen, sondern auch gegenüber allen, auf die wir als Businesspartner angewiesen sind: unsere Stakeholder.

Die Geschichte von Tim Mälzer muss man nicht erfinden, man muss sie nur finden - und erzählen. Er ist ein Held, der - da bin ich mir sicher - keiner sein will. Und das sind eben die echten Helden.

Auf die Suche!


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