Du blöder Tourist! Hau ab!

Geschrieben von Matthias Burzinski am . Veröffentlicht in .deBlog

Tourist, Klippe, Meer, Absturz

 

Ich arbeite jetzt seit rund 25 Jahren als Berater in der Tourismusbranche. Und zurzeit erleben wir mal wieder eine Phase, in der Touristenbeschimpfungen zunehmen und populär werden. Manchmal hat das Züge von Selbstbezichtigung - etwa im Falle der Flugscham. Oder schlimmer: Es wird zwischen vermeintlich "guten" und "wahren" Reisenden sowie den "schlechten" und "minderbemittelten" Massentouristen unterschieden.

Ein Blick in die Tourismusgeschichte und vor allem in soziologische Untersuchungen zeigt jedoch, dass dies mit dem Tourismus oder dem Reisen meist gar nichts zu tun hat.

Schon immer gab es den Typus des Reisenden, der für sich in Anspruch nimmt, "anders zu reisen" oder jetzt eben auch "tiefer zu reisen", wie es das Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main vor kurzem in seiner Studie zum Resonanztourismus festgestellt hat. Ja, es gab dieses Phänomen sogar schon im 19. Jhd., als der Tourismus in der uns bekannten Form langsam erwachte und die Adeligen vor den "proletarischen" Reisenden an der englischen Südküste an die Cote d'Azur flüchteten. 

Allen Reisenden, die sich diesem Typus des wahren Reisenden zugehörig fühlen, sei gesagt: Aus fachlicher und soziologischer Sicht unterliegen sie einer Illusion. Sich als "wahrer Reisender" abseits der "ausgetretenen Pfade" zu inszenieren, unterscheidet sich im Prinzip nicht von der massentauglichen Selbstinszenierung mit einem Selfiestick vor dem Kölner Dom. Es ist eben nur eine andere Form der Selbstvergewisserung - milieugerecht.

Und im Marketing wissen wir doch sehr genau, wie wir auch - oder gerade - diese Reisenden antriggern können. Oft sind sie sogar einfacher zu erreichen, obwohl sie glauben, besonders werberesistent zu sein. Zudem haben viele Studien schon nachgewiesen, dass so mancher vermeintliche Massentourismus unbedenklicher ist als das angeblich "wahre Reisen". Wie immer gilt: Es ist der Einzelfall zu prüfen.

Pauschale Touristenbeschimpfung hat eine lange Tradition, vor allem unter und zwischen Touristen selbst. Da entblödet sich etwa in den Kommentaren unter einem Artikel in der ZEIT jemand nicht, die neuerdings verstärkt auftretenden Chinesen zu diffamieren. Doch warum sollten Chinesen und Chinesinnen weniger Recht haben zu reisen als wir? 

Das touristische System, wie wir es kannten, ist am Ende

Hilfreich ist Touristenbeschimpfung noch nie gewesen, v.a. dann nicht, wenn sie - wie meistens - eigentlich nur zur sozialen Distinktion und eigenen Seligsprechung dient und eingesetzt wird. Es ist die Arroganz der vermeintlich moralischen Überlegenheit, die daraus spricht. Und genau das birgt Gefahren: der Ausgrenzung, der Spaltung, der Entsolidarisierung, die unsere Gesellschaft gerade insgesamt erfasst hat.

Es ist vollkommen unstrittig, dass das touristische System, wie wir es kannten, am Ende ist. Ein neues entsteht - getrieben durch den Klimawandel, die Digitalisierung, Wachstumsgrenzen und den damit einher gehenden Wertewandel. Nur werden wir keinen radikalen Bruch erleben. Und wir werden ihn durch Touristenbeschimpfung auch nicht beschleunigen, sondern verlangsamen, sogar behindern. Menschen wollen reisen, sie sollen reisen, sie dürfen reisen.

Der Wandel, den es braucht, hat viele Facetten: Technische, aufklärerische, motivierende, argumentative, regulative, digitale, vielleicht auch moralische. Moral hat jedoch die Eigenschaft subjektiv dehnbar und auch veränderbar zu sein, man denke nur an die gewandelte Sexualmoral in den letzten Jahrzehnten. Das ist nicht etwa eine schlechte, sondern eine gute Nachricht. Und da wir soziale Wesen sind, wird sich unser Reiseverhalten immer auch an anderen orientieren. Wir als Mensch - und als Branche - dürfen also gerne mit gutem Beispiel vorangehen, um andere zu überzeugen, aber wir sollten sie nicht beschimpfen und uns nicht über andere erheben.

 

Bild: https://pixabay.com/de/photos/sommer-gew%C3%A4sser-meer-freizeit-3339994/

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