Ostdeutschland verliert weiter Marktanteile

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Die Nachfrage im Tourismus Ostdeutschlands bleibt weiter hinter der Entwicklung im gesamten Bundesgebiet zurück. Das geht aus dem 20. Sparkassen-Tourismusbarometer des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) hervor.

Die Ergebnisse stellte der Geschäftsführende OSV-Präsident, Dr. Michael Ermrich am Donnerstag auf der ITB Berlin vor. 2016 verzeichneten die gewerblichen Betriebe bundesweit 447,17Mio. Übernachtungen, ein Plus von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Ostdeutschland betrug der Übernachtungszuwachs nur 1,8 Prozent. Betriebe müssten jetzt verstärkt auf Qualität setzen.

Ermrich warnte: „Wir freuen uns über eine insgesamt erfolgreiche Entwicklung des Tourismus, dürfen aber die Warnsignale nicht ignorieren. Nur Investitionen in mehr Qualität verhindern Einbußen. Unsere Gäste wollen sich am Urlaubsort wohl fühlen und etwas Besonderes erleben, sie entfliehen dem Alltag auf Zeit. Die Gastgeber tun gut daran, passgenaue Unterkünfte und vielfältige Erlebnismöglichkeiten anzubieten. Ihre Gäste schätzen es, wenn Sie ihnen mit spürbarer Gastfreundschaft begegnen.“

Überwiegend Zuwächse bei Übernachtungen

2016 meldeten die Betriebe in Ostdeutschland insgesamt 79,45 Mio. Übernachtungen in gewerblichen Beherbergungsbetrieben ab 10 Betten einschließlich Camping. Davon kamen 74,42 Mio. Übernachtungen aus dem Inland und 5,03 Mio. Übernachtungen aus dem Ausland.

Auch langfristig hat sich der Tourismus in Ostdeutschland überwiegend gut entwickelt. Seit 1997 stieg die Zahl der Übernachtungen deutschlandweit um 45 Prozent. Überdurchschnittlich dynamische Zuwächse in den vergangenen beiden Dekaden erzielten die Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern (+ 106 Prozent) und in Brandenburg (+ 58 Prozent).

Etwa im Bundesdurchschnitt wuchs die Nachfrage in Sachsen-Anhalt (+ 46 Prozent) und in Sachsen (+ 44 Prozent), während die Entwicklung in Thüringen (+ 28 Prozent) verhaltener war.

Sinkende Marktanteile

Trotz des Allzeitrekords von 79,45 Mio. Übernachtungen in ostdeutschen Betrieben im vergangenen Jahr lag der Marktanteil der fünf ostdeutschen Bundesländer an allen Übernachtungen in Deutschland 2016 bei nur 17,8 Prozent. Dies war der geringste Wert seit der Jahrtausendwende. Zudem sinkt der Anteil seit dem Höchststand im Jahr 2009 (19,3 Prozent).

Mecklenburg-Vorpommern weiter Spitze

Mecklenburg-Vorpommern verteidigte 2016 seinen Spitzenplatz in Ostdeutschland und blieb mit 30,3 Mio. Übernachtungen ein attraktives Reiseziel (+ 2,8 Prozent ggü. 2015). Sachsen zählte 2016 18,75 Mio. Übernachtungen (+ 0,1 Prozent ggü. 2015), Brandenburg 12,9 Mio. (+ 2,9 Prozent ggü. 2015), Thüringen 9,7 Mio. (- 0,2 Prozent ggü. 2015) und Sachsen-Anhalt 7,8 Mio. (+ 2,4 Prozent ggü. 2015).

28 der 42 Reisegebiete in Ostdeutschland erzielten 2016 Zuwächse bei den Übernachtungen. Während die Seen und Küsten bei den Gästen überdurchschnittlich beliebt waren, fielen die Mittelgebirge und Städte in der Gunst der Urlauber zurück.

Besonders die Küstengebiete, der Grenzraum zu Polen und die Achse zwischen Spreewald und Harz entwickelten sich positiv. In den Mittelgebirgsregionen vom südöstlichsten Zipfel Sachsens bis in die Thüringer Rhön dominierten rückläufige Zahlen. Einzig die Sächsische Schweiz meldete Übernachtungszuwächse. Die deutlichen Einbußen in den Reisegebieten der BUGA 2016 sind typisch für das Jahr nach einem solchen Event.

Geringere Zuwächse bei internationalen Gästen

Das Reisejahr 2016 war geprägt von der Angst vor Terror und politischen Unruhen auf der Welt, in Europa und in Deutschland. Der Incoming-Tourismus entwickelte sich 2016 in Anbetracht der schwierigen Rahmenbedingungen schwächer als in den Vorjahren, erzielte aber weiter Zuwächse.

Bundesweit stieg 2016 die Zahl der Übernachtungen von Auslandsgästen um 1,4 Prozent gegenüber 2015, in Ostdeutschland lediglich um knapp 0,2 Prozent. Positiv entwickelt haben sich auch die Gästeübernachtungen internationaler Gäste in gewerblichen Betrieben über 10 Betten und im Camping in Mecklenburg-Vorpommern (+ 1,2 Prozent), in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt (jeweils + 1 Prozent). Lediglich die Betriebe in Thüringen (- 0,5 Prozent) und in Sachsen (- 0,8 Prozent) meldeten leichte Übernachtungsrückgänge.

Freizeitwirtschaft mit stabilem Besucheraufkommen

Traditionell analysiert das Sparkassen-Tourismusbarometer die monatlichen Besucherzahlen in ausgewählten Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Rund 280 dieser sogenannten touristischen Wetterstationen werden mittlerweile untersucht. Im Jahr 2016 kamen nach vorläufigen Berechnungen des Sparkassen-Tourismusbarometers 0,7 Prozent mehr Besucher als 2015.

Wirtschaftliche Entspannung im Gastgewerbe unter Bundesniveau

Neun von zehn Betrieben im ostdeutschen Gastgewerbe seien laut DIHK-Saisonumfrage mit der aktuellen Geschäftslage zufrieden. Das Sparkassen-Tourismusbarometer bewertet nach Analyse ihrer Bilanzdaten (EBIL-Daten) ihre wirtschaftliche Entwicklung positiv.

Die Eigenkapitalquote wuchs in den vergangenen fünf Jahren von 3,8 Prozent auf 10,9 Prozent (2015), trotz steigender Personalkosten. Der Cash-Flow in Ostdeutschland stieg seit 2004 um 0,4 Prozentpunkte auf 13,6 Prozent (2015). Auch hier sei der bundesweite Wert noch besser: Der entsprechende Wert wuchs von 13 auf 14,1 Prozent - ein weiteres Warnsignal.

Hohe Zufriedenheit der Gäste, aber nicht mehr führend

Der TrustScore, der die Bewertungen aus den bedeutenden Online- Portalen zusammenfasst, bescheinigt den ostdeutschen Betrieben eine nach wie vor wachsende Zufriedenheit ihrer Gäste und einen neuen Rekordwert. Allerdings haben 2016 auch hier die westdeutschen Betriebe die ostdeutschen erstmals überholt, nachdem sie 2015 bereits gleichauf lagen.

Die ostdeutschen Betriebe erreichten 2016 durchschnittlich 82,2 Punkte (von maximal 100), ein Plus von 1,6 Prozent seit 2012. Der bundesweite Wert liegt mittlerweile jedoch bei 82,5 Punkten (+3,2 % seit 2012). Nur die Betriebe in Sachsen liegen über dem Bundesdurchschnitt.

Warnsignale erkennen – Erfolgsfaktor Qualität stärken

Das Sparkassen-Tourismusbarometer mahnt, die Warnsignale ernst zu nehmen. Übernachtungszahlen, betriebliche Kennziffern und Gästezufriedenheit deuten beim Ostdeutschland-Tourismus auf eine insgesamt solide Entwicklung hin. Doch einzelne Wettbewerber im Deutschland-Tourismus seien aus Sicht der Gäste noch attraktiver.

Investitionen, zum Beispiel in Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg, zeigten Wirkung. Die ostdeutschen Destinationen müssten verstärkt auf Qualität bei der touristischen Infrastruktur und Service setzen. Künftig werde der Anbieter erfolgreich sein, der Gästewünsche kompetent, schnell und freundlich erfülle.

Qualität aus Gästesicht – mehr als Bedürfnisse befriedigen

Das Sparkassen-Tourismusbarometer rät: Qualität müsse aus Sicht des Gastes definiert werden. Die Gäste erwarteten, dass das Reiseerlebnis ihren Ansprüchen gerecht werde. Mehr noch: Die Gäste wollen stets aufs Neue positiv überrascht werden. Dabei erwarten sie herausragenden Service zu angemessenen Preisen. Dies sei eine Herausforderung für Anbieter. Denn die Ansprüche seien individuell und wandelten sich stetig.

Die fünf wichtigsten Faktoren für Zufriedenheit seien: die Unterkunft, das Preis-Leistungsverhältnis, die Atmosphäre und das Flair, die Vielfalt und die Qualität des Angebotes sowie die Gastfreundschaft.

Qualitätssiegel und Gästebewertungen

Qualitätssiegel böten den Gästen Sicherheit, Gästebewertungen aus Buchungsportalen inzwischen aber mehr Orientierung. 97 Prozent der Gäste kennen demnach mittlerweile Buchungsportale, 77 Prozent Qualitätsinitiativen. 74 Prozent der Gäste vertrauten den offiziellen Siegeln der Qualitätsinitiativen und lediglich 57 Prozent den Bewertungen aus Buchungsportalen. Dennoch buchten nur 62 Prozent Unterkünfte mit Klassifizierungen, aber 69 Prozent Unterkünfte mit guten Bewertungen.

Online-Portale seien für die Gäste ein Wegweiser und verschafften ihnen einen Überblick über das vielfältige touristische Angebot. Den Betrieben gäben sie Hinweise für Leistungsverbesserungen. Die Qualitätsinitiativen im Deutschlandtourismus nutzten Betrieben, um Qualitätsprozesse umzusetzen und Qualitätssignale an die Gäste zu senden.

Aufgaben des Destinationsmanagements

Qualitätsmanagement sei eine von vielen Aufgaben des Destinationsmanagements. Laut aktueller Online-Befragung der ostdeutschen Destinationen durch das Sparkassen-Tourismusbarometer fühlten sich 90 Prozent der Destinationsmanagementorganisationen (DMO) für Qualität verantwortlich. Aber nur 20 Prozent der DMO verbänden dies mit Qualität entlang der gesamten Servicekette. Nur 20 Prozent der DMO seien Coach für die Betriebe.

Das Sparkassen-Tourismusbarometer fordert, den Qualitätsprozess in allen Phasen der touristischen Dienstleistungskette besser zu steuern. Dies umfasse mehr als mehr Qualität bei der touristischen Infrastruktur und im Service. Mehr denn je gehe es darum, dem Gast Erlebnisse zu bieten, wie Schlechtwetterangebote oder Einkaufsmöglichkeiten.

Die DMO der Zukunft müsse Qualität planen, umsetzen und kontrollieren. Zu ihren Aufgaben gehöre es also, individuelle Ziele festzulegen und Strategie für die Destination zu erarbeiten. Die DMO müsse die Servicekette im Blick haben und alle Anbieter aktiv in den Verbesserungsprozess einbinden.

Aufgaben der Betriebe

Das Qualitätsbewusstsein sei bei den ostdeutschen Betrieben auch Dank der Qualitätsinitiativen gut ausgeprägt. 80 Prozent der befragten ostdeutschen Beherbergungsbetriebe gaben an, einen Mitarbeiter als Qualitätsbeauftragten zu beschäftigen. Nur 11 Prozent nutzen externe Beratung zum Qualitätsmanagement und nur 28 Prozent gehen davon aus, dass Online-Bewertungen für das Qualitätsmanagement wichtiger werden.

Die Bemühungen um Qualität zahlten sich aus. Eine Analyse im Rahmen des Sparkassen-Tourismusbarometers zeigt, dass Betriebe, die an Qualitätsinitiativen teilnehmen, bessere Online-Bewertungen erhalten. Gäste buchten häufiger ein Hotel mit besserer Bewertung. Jeder zweite Gast sei bereit, für eine Unterkunft mit herausragenden Gästebewertungen mehr zu zahlen. Das gelte auch für Betriebe, die über eine offizielle Klassifizierung verfügten. Eine Studie des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) belege, dass der Vermietungspreis pro Quadratmeter und Tag mit jedem DTV-Klassifizierungsstern steige.

Die Betriebe seien daher aufgerufen, Qualitätsstandards auf Basis der Gästebedürfnisse festzulegen und im eigenen Betrieb umzusetzen. Die Ergebnisse müssten kontinuierlich kontrolliert und optimiert werden.

https://www.osv-online.de/

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